§ 30 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Wohnungserbbaurecht
(Aktualisiert nach der WEG‑Reform 2020; Rechtsstand: Oktober 2025; mit Praxisbeispielen für Hausverwaltungen, Beiräte und Erbbauberechtigte)
Einleitung
§ 30 WEG eröffnet die Möglichkeit, ein Erbbaurecht in „Wohnungsteile“ zu gliedern: Jedem Mitberechtigten wird Sondereigentum an einer konkreten Wohnung oder Einheit eingeräumt – man spricht vom Wohnungserbbaurecht (bei nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen: Teilerbbaurecht). Damit verbindet § 30 die Systematik des Erbbaurechts mit der des WEG: Für die Teil‑Erbbaurechte gelten die Regeln über Wohnungseigentum/Teileigentum entsprechend.
Gesetzestext – § 30 WEG
§ 30 Wohnungserbbaurecht
- Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht).
- Ein Erbbauberechtigter kann das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung des § 8 teilen.
- Für jeden Anteil wird von Amts wegen ein besonderes Erbbaugrundbuchblatt angelegt (Wohnungserbbaugrundbuch, Teilerbbaugrundbuch). Im Übrigen gelten für das Wohnungserbbaurecht (Teilerbbaurecht) die Vorschriften über das Wohnungseigentum (Teileigentum) entsprechend.
Hinweis: Maßgeblich ist die amtliche Fassung; Orthografie hier in aktueller Schreibweise umgesetzt.
Was bedeutet das in der Praxis?
- Teilung eines Erbbaurechts: Das (Gesamt‑)Erbbaurecht wird – notariell und grundbuchlich – in rechtlich selbstständige Wohnungserbbaurechte/Teilerbbaurechte aufgeteilt; dies erfolgt entsprechend § 8 WEG (Teilungserklärung, Aufteilungsplan, Abgeschlossenheitsbescheinigung).
- Eigenes Grundbuchblatt: Für jeden Anteil legt das Grundbuchamt ein Wohnungserbbaugrundbuch an; die Einheiten sind damit gesondert verkehrsfähig und belastbar (Verkauf, Grundpfandrechte).
- WEG‑Regeln gelten entsprechend: Gemeinschaft, Beschlüsse, Verteilung, Verwaltung, Beschlusssammlung etc. richten sich sinngemäß nach den WEG‑Vorschriften für Wohnungseigentum/Teileigentum.
- Besonderheit Erbbaurecht: Rechte/Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag (z. B. Erbbauzins, Zustimmungsvorbehalte, Laufzeit, Heimfall‑/Vergütungsregeln) bestehen parallel fort und sind bei Verwaltung und Beschlüssen zu berücksichtigen.
Abgrenzungen & typische Fallkonstellationen
- Eigentum vs. Erbbaurecht: Beim Wohnungserbbaurecht besteht kein Grundstückseigentum, sondern ein zeitlich befristetes, grundstücksgleiches Recht am Bauwerk; das Sondereigentum bezieht sich auf das Erbbaurecht, nicht auf das Grundstück.
- Gemeinschaft: Die „GdWE“ besteht aus den einzelnen Wohnungserbbauberechtigten; der/die Grundstückseigentümer/in (Erbbaurechtsgeber) gehört nicht zur Gemeinschaft, hat aber ggf. vertragliche Zustimmungs‑/Mitwirkungsrechte.
- Beschlüsse & Verträge: Bauliche Maßnahmen/Verträge können neben GdWE‑Beschlüssen zusätzlich Zustimmungen nach dem Erbbaurechtsvertrag erfordern (häufig bei Aufstockung, Dachausbau, Nutzungsänderung).
- Finanzen: Erbbauzins und sonstige erbbaurechtliche Lasten werden regelmäßig im Wirtschaftsplan/Abrechnung anteilig berücksichtigt, bleiben aber vertragliche Pflichten gegenüber dem Erbbaurechtsgeber.
Praxisbeispiele
- Projektentwicklung: Eine Kommune vergibt ein Erbbaurecht (99 Jahre). Der Bauträger teilt es nach § 30/§ 8 WEG in 30 Wohnungserbbaurechte; für jede Einheit entsteht ein Wohnungserbbaugrundbuch. Verkauf und Finanzierung erfolgen einheitsbezogen.
- Bestandsobjekt: Mehrere Geschwister halten ein Erbbaurecht gemeinschaftlich. Sie ordnen jedem seine Wohnung als Sondereigentum am Erbbaurecht zu; Verwaltung, Kostenverteilung und Beschlüsse laufen nach WEG‑Logik.
- Dachausbau: Die GdWE beschließt den Ausbau. Zusätzlich ist – nach Erbbaurechtsvertrag – die Zustimmung des Erbbaurechtsgebers einzuholen, bevor Aufträge vergeben werden.
Häufige Missverständnisse
- „Beim Wohnungserbbaurecht wird man Grundstückseigentümer.“ Nein. Man ist Erbbauberechtigte/r; das Grundstück bleibt beim Erbbaurechtsgeber.
- „WEG‑Regeln gelten hier nicht.“ Doch – § 30 Abs. 3 WEG verweist auf die entsprechende Anwendung der WEG‑Vorschriften.
- „Es braucht kein eigenes Grundbuchblatt je Einheit.“ Falsch. Für jeden Anteil wird von Amts wegen ein Wohnungserbbaugrundbuch angelegt.
- „Erbbauzins ist dasselbe wie Hausgeld.“ Nein. Erbbauzins ist eine vertragliche Leistung an den Erbbaurechtsgeber; das Hausgeld deckt die gemeinschaftlichen Kosten der GdWE.
- „Nach Ablauf der Laufzeit bleibt alles wie beim Wohnungseigentum.“ Nein. Das Erbbaurecht ist befristet; zum Ende greifen die Regeln des Erbbaurechtsvertrags (z. B. Heimfall/Entschädigung).
FAQ zu § 30 WEG
Wie wird ein Wohnungserbbaurecht begründet?
Durch notariell beurkundete Teilungserklärung/Einräumung und Eintragung im Grundbuch (entsprechend § 8 WEG); erforderlich sind die vertraglich vorgesehenen Bewilligungen (z. B. des Erbbaurechtsgebers) sowie Aufteilungsplan und Abgeschlossenheitsbescheinigung.
Wer verwaltet die Gemeinschaft?
Die Gemeinschaft der Wohnungserbbauberechtigten (GdWE) verwaltet nach den WEG‑Regeln. Der Erbbaurechtsgeber ist kein Mitglied, kann aber über den Erbbaurechtsvertrag Mitspracherechte haben.
Können Wohnungserbbaurechte separat verkauft/belastet werden?
Ja. Jedes Wohnungserbbaurecht hat ein eigenes Grundbuchblatt und ist verkehrsfähig/belastbar (z. B. Grundpfandrechte).
Wer trägt Grundsteuer und Erbbauzins?
Regelmäßig die Erbbauberechtigten gemäß Erbbaurechtsvertrag; in der Praxis werden die Beträge anteilig über Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung berücksichtigt.
Was passiert am Laufzeitende?
Das Erbbaurecht endet; es gelten die vertraglichen Heimfall‑/Entschädigungsregelungen. Die Einzelrechte am Erbbaurecht erlöschen entsprechend.
Best‑Practice für Verwaltung & Beirat
- Doppelte Prüfschiene: Bei Beschlüssen neben dem WEG‑Recht stets auch den Erbbaurechtsvertrag (Zustimmungs‑/Nutzungsregeln, Laufzeiten) checken.
- Transparenz im Planwerk: Erbbauzins, kanonische Lasten und vertragliche Abgaben separat im Wirtschaftsplan/der Abrechnung ausweisen.
- Grundbuchpflege: Änderungen (Nutzungsänderung, Sondereigentum, Belastungen) sauber beurkunden und nachziehen; Beschlusssammlung konsistent halten.
- Kommunikation: Eigentümer frühzeitig auf etwaige Zusatz‑Zustimmungen (Erbbaurechtsgeber) hinweisen, um Verzögerungen zu vermeiden.
Fazit
§ 30 WEG verknüpft Erbbaurecht und Wohnungseigentum: eigenständige Einheiten am Erbbaurecht, eigenes Grundbuchblatt, WEG‑Verwaltungslogik – plus die Besonderheiten des Erbbaurechtsvertrags. Wer beides im Blick behält, schafft Rechtssicherheit bei Teilung, Finanzierung, Verwaltung und Beschlussfassung.
Autor: Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: Oktober 2025
→ Weiter geht es mit: §§ 31 – 42 WEG – (Thema folgt)

