Bauliche Veränderung: Außenjalousien als Sonnenschutz – was seit 2020 gilt
Kernaussage
Außenjalousien vor großen Fensterflächen sind in der Regel bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum. Ihre Zulässigkeit richtet sich primär nach Teilungserklärung/Aufteilungsplan und heute nach den Regeln des § 20 WEG (seit 01.12.2020). Öffentliche Vorgaben (z. B. aus Bauordnungsrecht oder dem Gebäudeenergiegesetz) können die Maßnahme zur ordnungsmäßigen Verwaltung machen. Ein früherer Beschluss, der das „Ob“ einer Verschattung auch nur grundlegend erlaubt, bindet alle Eigentümer, selbst wenn das „Wie“ (Ausführung) noch nicht beschlossen wurde.
Rechtslage vor 2020 vs. heute
- Bis 30.11.2020: Außenjalousien waren meist bauliche Veränderungen nach § 22 Abs. 1 WEG a. F.; erforderlich war Zustimmung aller nachteilig betroffenen Eigentümer. Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten galt als Instandsetzung/ordnungsmäßige Verwaltung.
- Seit 01.12.2020 (WEMoG): § 20 WEG regelt bauliche Veränderungen. Sie werden durch Beschluss ermöglicht. Es braucht keine Einzelzustimmungen mehr, aber:
- § 20 Abs. 1: Bauliche Veränderungen sind mit einfacher Mehrheit beschließbar.
- § 20 Abs. 2: Privilegierte Maßnahmen kann jeder verlangen (Barrierefreiheit, E-Ladeeinrichtung, schneller Telekom-Anschluss, Einbruchschutz). Außenjalousien gehören nicht dazu.
- § 20 Abs. 3: Niemand darf unbillig benachteiligt werden (Schutz vor Nachteilen über das unvermeidliche Maß hinaus).
- § 20 Abs. 4–5, § 21 WEG: Kosten tragen grundsätzlich die Nutznießer; bei allgemeinem Nutzen kann die Gemeinschaft Kosten ganz/teilweise übernehmen.
- Öffentliches Recht: Pflichten aus Bauordnungen/Genehmigungen oder dem GEG (seit 2020 anstelle EnEV) sind unabhängig zu erfüllen; dies fällt als ordnungsmäßige Verwaltung in den Beschlussbereich, nicht in die freie Modernisierungsentscheidung.
Orientierungspunkt BGH (Außenjalousien, 20.07.2018)
- Plangerechte Erstherstellung: Maßgeblich sind Teilungserklärung/Aufteilungsplan und ggf. vertraglich einbezogene Baubeschreibung. Allein eine „Allgemeine Baubeschreibung“ aus der Baugenehmigung genügt nicht ohne weiteres als Maßstab für das Soll.
- Öffentlich-rechtliche Pflicht: Ist Verschattung bau-/energie-rechtlich gefordert, handelt es sich um Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, nicht um frei zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung.
- Bestandskräftiger Grundlagenbeschluss: Ein wirksam gefasster und unanfechtbarer Beschluss, der das „Ob“ der Verschattung erlaubt, verpflichtet alle Eigentümer zur Duldung. Das fehlende „Wie“ ist nachzuholen.
- Kein Rechtsmissbrauch: Liegt keine unzumutbare Beeinträchtigung vor und wäre ein Gestattungsbeschluss herbeizuführen, kann die Beseitigungsklage rechtsmissbräuchlich sein.
Was bedeutet das heute für Außenjalousien?
- Nicht privilegiert: Außenjalousien sind keine privilegierte Maßnahme i. S. d. § 20 Abs. 2 WEG. Es braucht einen Mehrheitsbeschluss nach § 20 Abs. 1.
- Nachteilschwelle: Die Maßnahme darf andere nicht unbillig benachteiligen (Optik, Blendung, Lärm durch Lamellen, Eingriffe in Fassade). Das ist konkret zu prüfen.
- Kosten: Grundsatz „Wer profitiert, zahlt“ (§ 21 WEG). Nutznießer tragen die Kosten; bei allgemeinem Nutzen ist Verteilung zulässig. Ausführung, Wartung, Instandsetzung sind im Beschluss zu regeln.
- Öffentlich-rechtlich erforderlich? Verlangt GEG/Baurecht (z. B. sommerlicher Wärmeschutz) eine bestimmte Verschattungslösung, spricht viel für ordnungsmäßige Verwaltung. Dann Beschluss weiterhin nötig, aber kein „Oppositionsveto“ allein wegen Geschmack.
- Gestaltungseinheit: Einheitliches Fassadenbild ist regelmäßig sachgerecht. Typ, Farbe, Montageart sollten verbindlich festgelegt werden.
Praktisches Vorgehen für Verwalter und Beirat
- Bestand prüfen: Gibt es frühere Gestattungen/Grundlagenbeschlüsse, Festlegungen in TE/GO, Gestaltungssatzungen?
- Recht klären: Öffentliche Vorgaben (Baugenehmigung, GEG-Nachweis, kommunale Satzungen). Sind Verschattungen gefordert/geboten?
- Technik/Optik standardisieren: Lastenheft zu System (Lamellentyp, Führung, Farbe, Einbau in/vor Fassadenebene), Lärm-/Blendgutachten bei Bedarf.
- Kosten und Verteilung: Angebotseinholung; Beschluss zu Kostentragung nach § 21 WEG (Nutznießer, ggf. Beteiligung der Gemeinschaft).
- Beschlussfassung:
- Grundlagenbeschluss zum „Ob“ (Zulässigkeit, Zonen, Einheitlichkeit).
- Ausführungsbeschluss zum „Wie“ (System, Farbe, Montage, Wartung, Dokumentation).
- Nutzung/Wartung: Prüfintervalle, Instandhaltungspflichten, Haftung.
- Dokumentation: Fassadenkataster, Fotodoku, Gewährleistungsunterlagen, Pflegehinweise.
Musterbeschlüsse (Auszug)
Grundlagenbeschluss „Verschattung“
„Die Gemeinschaft gestattet gemäß § 20 Abs. 1 WEG die Anbringung außenliegender Jalousien vor den süd-/ost-/westseitigen Fensterflächen nach dem in Anlage 1 beschriebenen Standard. Die Maßnahme dient dem sommerlichen Wärmeschutz und der Werterhaltung. Das optische Erscheinungsbild ist gemäß Farbfächer RAL … einheitlich auszuführen. Einzelheiten regelt der Ausführungsbeschluss.“
Ausführungs-/Kostenbeschluss
„Die Ausführung erfolgt systemeinheitlich durch Firma … gemäß Angebot … vom … . Kosten tragen die jeweils nutzenden Sondereigentümer (§ 21 WEG). Anschluss-, Wartungs- und Instandsetzungspflichten werden auf die Antragsteller übertragen. Die Montage erfolgt ausschließlich an den in Anlage 2 dargestellten Ankerpunkten. Beschädigungen am Gemeinschaftseigentum sind unverzüglich zu beseitigen. Dem Verwalter wird Vollmacht zur Nachtragsfreigabe bis +10 % erteilt.“
Typische Streitpunkte und Lösungen
- „Altbeschluss ohne Ausführung“: Ein bestandskräftiger Grundlagenbeschluss trägt. Fehlt das „Wie“, reicht ein Ausführungsbeschluss mit einheitlichem Standard.
- Einzelmontagen ohne Beschluss: Nachgenehmigung möglich, wenn Standard passt und keine unbilligen Nachteile bestehen; sonst Rückbau oder Anpassung.
- Optische Beeinträchtigung: Reduziert durch klare Gestaltungsleitlinien. Bei Ensembleschutz baurechtlich abstimmen.
- Lärm/Blendung: Technischen Nachweis (z. B. Messwerte des Systems), Betriebsfenster definieren.
- GEG-Pflichten: Wenn Energie-/Bauordnungsrecht bestimmte Verschattung erfordert, hat die Gemeinschaft umzusetzen; Streit dreht sich dann um Art/Kosten, nicht um das „Ob“.
FAQ
- Kann ein einzelner Eigentümer Außenjalousien verlangen?
Nein, keine Privilegierung nach § 20 Abs. 2 WEG. Er kann aber einen Beschlussantrag stellen; bei fehlender unbilliger Benachteiligung ist Zustimmung regelmäßig ermessensgerecht. - Wer zahlt?
Grundsätzlich der Nutznießer (§ 21 WEG). Bei gemeinschaftlichem Vorteil kann die Gemeinschaft sich beteiligen; dies bedarf eines klaren Kostenbeschlusses. - Reicht eine baurechtliche Auflage aus, um ohne Gestattung zu bauen?
Nein. Die maßnahmenseitige Pflicht folgt aus öffentlichem Recht, die organisatorische Umsetzung erfolgt immer durch Beschluss. - Rollläden statt Jalousien?
Rechtlich gleiches Raster: bauliche Veränderung; Einheitlichkeit, Optik, Lärm und Anschlussdetails regeln.
Checkliste für Einreicher
- Planunterlagen (Ausschnitte Aufteilungsplan, Fassadenansichten).
- Systemdatenblatt des Herstellers, Montagekonzept, Farbangaben.
- Baurechtliche Klärung (Genehmigungspflicht? Satzungen?).
- Kostenangebot inkl. Wartung, Gewährleistung.
- Vorschlag Beschlusstexte „Ob/Wie/Kosten/Haftung“.
Seit 2018 relevante Änderungen
- WEMoG 2020: Paradigmenwechsel bei baulichen Veränderungen. Mehrheit genügt; Schutz über § 20 Abs. 3; Kostensteuerung über § 21.
- GEG 2020/2023: EnEV aufgegangen im Gebäudeenergiegesetz. Sommerlicher Wärmeschutz bleibt Pflicht, die konkrete Ausführung bleibt offen. Außenliegende Verschattung ist eine anerkannte Lösung, aber nicht zwingend die einzige.
- Beschlusskompetenz gestärkt: Einheitliche Standards für Fassadenbauteile sind heute leichter beschließbar; zugleich klare Dokumentations- und Wartungsvorgaben empfehlen sich.
Aktualisiert am: 13.10.2025 – Hausverwaltung Reiner




