Bauliche Veränderung am Sondereigentum: Optik der Anlage und WEG-Beschluss seit WEMoG
Ausgangspunkt (Juni 2017) – Der BGH stellte Ende 2016 klar: § 22 WEG a. F. betraf nur Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum. Bauliche Eingriffe im Sondereigentum fallen zwar nicht darunter, können aber wegen ihrer Ausstrahlung auf das optische Gesamtbild Beschluss- und Zustimmungserfordernisse auslösen. Maßgeblich ist der Vorher–Nachher-Vergleich des gesamten Gebäudes, nicht nur einzelner Bauteile. Außerdem sind bereits bestehende Veränderungen am Gebäude in die Bewertung einzubeziehen.
Seit 01.12.2020: Neuer Rechtsrahmen durch das WEMoG
– Neusortierung der Vorschriften: Die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums regelt heute § 20 WEG. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung stehen in § 19 WEG. Nutzungsrechte und Rücksichtnahmepflichten der Eigentümer ergeben sich u. a. aus § 13 WEG und § 14 WEG.
– Mehrheitsprinzip: Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum können grundsätzlich mit einfacher Mehrheit beschlossen werden (§ 20). Privilegierte Maßnahmen (z. B. Barrierefreiheit, Einbruchschutz, Ladeinfrastruktur, Telekommunikation) haben einen Gestattungsanspruch.
– Kosten- und Nutzungsfolgen: Wer eine bauliche Veränderung veranlasst, trägt regelmäßig die Kosten und nutzt die Einrichtung; Ausnahmen gelten, wenn alle Eigentümer einen angemessenen Gebrauch haben. Die konkrete Zuordnung erfolgt durch Beschluss auf Basis der Regeln zu Kosten und Lasten (§ 16 WEG).
Sondereigentum mit Außenwirkung: Was bleibt aus 2016/2017 relevant?
– Kern: Ändert ein Eigentümer sein Sondereigentum (z. B. Dachgarten-Vorbau, farbliche Akzente, neue Aufbauten), ist zu prüfen, ob die Maßnahme das optische Gesamtbild der Wohnanlage beeinflusst. Ist dies der Fall, bedarf es trotz Sondereigentumsbezuges eines gemeinschaftlichen Beschlusses oder individuell erforderlicher Zustimmungen betroffener Eigentümer.
– Gesamteindruck: Maßstab ist das Erscheinungsbild des gesamten Gebäudes. In die Betrachtung gehören alle bereits vorhandenen Abweichungen, die entweder aufgrund früherer Beschlüsse oder genehmigter Änderungen bestehen.
– Abgrenzung Substanz: Viele Bauteile mit Außenwirkung (Außenfenster, Fassadenflächen, Dach/Attika, Abdichtung) sind Gemeinschaftseigentum. Eingriffe dort sind stets nach § 20 WEG zu behandeln.
Praxis für GdWE, Beirat und Verwalter
– Einladung/TO: Bei angekündigten Änderungen im Sondereigentum mit möglicher Außenwirkung Tagesordnungspunkt „Beschlussfassung zur baulichen Veränderung“ aufnehmen; Unterlagen: Pläne, Ansichten, Farben, Material.
– Beschlussinhalt: Optische Vorgaben (Farbton/RAL, Form, Maße), technische Schnittstellen (Abdichtung, Befestigung), Kosten- und Unterhalt, Rückbaupflicht bei Mängeln, Dokumentation (Bestands-/Fotodokumentation).
– Verwalterzustimmung: Sieht die Gemeinschaftsordnung eine Zustimmungspflicht des Verwalters für Außenmaßnahmen vor, bleibt diese zusätzlich zu Beschlüssen und Zustimmungen zu beachten.
– Beweissicherung: Vorher/Nachher-Fotos, Bestandsprüfung, ggf. Sachverständige bei Dach-/Fassadenbezug. So werden spätere Streitigkeiten über Beeinträchtigungen und Rückbau entschärft.
Typische Konstellationen
– Dachterrassen/Dachgärten: Beläge können sondereigentumsfähig sein; Abdichtung, Tragwerk, Attika sind Gemeinschaftseigentum. Neue Aufbauten oder veränderte Höhen/Kanten lösen regelmäßig Beschlusspflicht aus.
– Markisen/Beschattungen: Montagepunkte in der Fassade sind Gemeinschaftseigentum; Optik (Farb-/Tuchbild) einheitlich regeln.
– Außenanlagen (SNR): Bauliche Elemente mit Sichtbezug (Pergola, Sichtschutz, Einhausungen) sind wegen Außenwirkung beschlussrelevant.
Leitfragen für Eigentümer vor der Maßnahme
1) Tangiert die Änderung Gemeinschaftseigentum oder verändert sie sichtbar das Gebäude?
2) Gibt es in GO/TE Verwalterzustimmung oder optische Leitlinien?
3) Ist die Maßnahme privilegiert (Barrierefreiheit, Einbruchschutz, E-Ladepunkt, Telekommunikation)?
4) Wer trägt Errichtungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten? § 16 WEG beachten.
5) Wie sichern wir Qualität und Rückbau ab?
Fazit
Bauliche Veränderung am Sondereigentum bleibt zulässig, stößt aber dort an Grenzen, wo das optische Gesamtbild der Anlage betroffen ist oder Gemeinschaftseigentum berührt wird. Seit WEMoG erleichtert das Mehrheitsprinzip Beschlüsse am Gemeinschaftseigentum; privilegierte Maßnahmen haben einen Anspruch. Für die Praxis gilt: frühzeitig planen, Beschlüsse sauber fassen, Kosten- und Unterhalt klar zuordnen. So bleiben Gestaltungsspielräume erhalten, ohne den Charakter der Anlage zu verlieren.
Ursprünglicher Artikel: Juni 2017
Aktualisiert am 28.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH




