BHKW in der WEG: BFH bestätigt gewerbliche Mitunternehmerschaft – Praxis, Steuern, WEMoG-Update


Kernaussage

Betreibt eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und liefert Strom entgeltlich an Dritte (z. B. Netzbetreiber), erzielt sie gewerbliche Einkünfte. Die GdWE ist insoweit ertragsteuerlich eine Mitunternehmerschaft (§ 15 EStG). Die Einkünfte sind im gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren (§ 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO) festzustellen und den Eigentümern anteilig zuzurechnen. Einer zusätzlichen GbR-Gründung bedarf es nicht. Seit dem WEMoG ist die GdWE rechtsfähig (§§ 9a, 9b WEG n. F.) und kann steuerlich selbst auftreten.


Ausgangsfall und rechtlicher Rahmen

In einer Reihenhaus-WEG wurde ein BHKW mit Wärmenutzung für die Anlage betrieben, der erzeugte Strom teilweise eingespeist und vergütet. Das Finanzamt stellte gewerbliche Einkünfte fest und ordnete sie den Eigentümern quotal zu. Der Bundesfinanzhof bestätigte: Die rechtsfähige Gemeinschaft kann innerhalb ihres Verbandszwecks – Wärme- und Energieversorgung der Anlage – selbst Mitunternehmerschaft sein; die Stromlieferung nach außen ist gewerblich einzuordnen.


Was der BFH klargestellt hat

  • Rechtsfähigkeit genügt: Die GdWE tritt selbst als Steuersubjekt auf. Keine „Zusatz-GbR“ nötig.
  • Gewerbliche Einkünfte: Entgeltliche Stromabgabe an Dritte ist kein „Vermögensverwaltungstatbestand“, sondern gewerblich.
  • Feststellung: Gewinn/Verlust wird bei der GdWE festgestellt und nach Miteigentumsquote (oder abweichender Vereinbarung) verteilt.
  • Verwalterrolle: Der Verwalter darf die GdWE steuerlich vertreten (organisatorisch), Steuerberater rechtsgeschäftlich beauftragen.

Neu seit 2020/2023: WEMoG, EEG-Umlage weg, neue Steuerregeln bei Energie

  • WEMoG: Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft sind in § 9a/§ 9b WEG klar normiert. Beschlüsse zum Anlagenbetrieb fallen unter ordnungsmäßige Verwaltung (§ 19 WEG), Verträge schließt die GdWE.
  • EEG-Umlage: Seit 07/2022 entfällt die EEG-Umlage. Für BHKW bleiben andere Netzentgelt- und Umlagefragen (KWKG, § 19-StromNEV) je nach Konstellation relevant; prüfpflichtig im Netznutzungsvertrag.
  • PV-Steuerbefreiungen: Die ESt-Befreiung § 3 Nr. 72 EStG (seit 2023) gilt für Photovoltaik bis zu bestimmten Leistungs-/Objektgrenzen, nicht für BHKW-Strom.
  • USt 0 % für PV-Lieferungen: § 12 Abs. 3 UStG betrifft PV-Komponenten. BHKW-Beschaffung fällt nicht unter den 0 %-Satz.
  • § 14a EnWG: Steuerbare Verbrauchseinrichtungen betreffen vorrangig Wärmepumpen/Wallboxen. BHKW als Erzeuger sind getrennt zu betrachten; Netzanschluss-/Steuerbarkeit kann gleichwohl vertraglich gefordert werden. Netzbetreiberbedingungen prüfen.

Steuern im Überblick: So ordnen Sie den BHKW-Betrieb richtig ein

Ertragsteuer (ESt/GewSt)

  • Qualifikation: Stromverkauf = gewerblich. Wärmeabgabe an Eigentümer ist regelmäßig kein eigener Einkünfte-Tatbestand; sie dient der Gemeinschaftsversorgung.
  • Gewinnermittlung: Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) genügt meist. Saubere Abgrenzung Strom/Wärme.
  • Feststellung: Erklärung „gesonderte und einheitliche Feststellung“ für die GdWE bei der Finanzverwaltung (Stammdaten, Steuernummer).
  • Gewerbesteuer: Freibetrag 24.500 € p. a. für Mitunternehmerschaften. In der Praxis bei kleinen BHKW meist keine GewSt-Zahlung.
  • Verlustverrechnung: Anfangsverluste (Wartung, Brennstoff, Zähler) sind grundsätzlich berücksichtigungsfähig; Liebhaberei nur bei fehlender Gewinnerzielungsabsicht über den Kalkulationszeitraum.

Umsatzsteuer (USt)

  • Unternehmerstatus: Einspeisung macht die GdWE zum Unternehmer (§ 2 UStG).
  • Kleinunternehmer: Option nach § 19 UStG möglich (< 22.000 € Vorjahr, ≤ 50.000 € laufendes Jahr). Dann keine USt auf Einspeisevergütung, aber auch kein Vorsteuerabzug.
  • Regelbesteuerung: Vorsteuer aus Investition/Wartung abziehbar; USt auf Einspeiseerlöse abzuführen.
  • Leistungen an Eigentümer: Interne Wärmekostenumlage ist kein umsatzsteuerpflichtiger Umsatz; Sonderfälle bei Lieferung an vermietete Einheiten mit USt-Option möglich – gesondert prüfen.

Energie-/Abgabenrecht

  • KWKG/BAFA: Für KWK-Zuschläge ist eine Registrierung/Bestätigung erforderlich. Technische Mindestanforderungen und Laufzeitbedingungen beachten.
  • Netzthemen: Einspeise-/Messkonzept (Zweirichtungszähler, Summenzähler), Messstellenbetrieb, Redispatch-Pflichten bei größeren Anlagen.

Beschluss- und Vertragsgestaltung in der GdWE

  • Grundsatzbeschluss nach § 19 WEG: Errichtung/Betrieb des BHKW, Ziel, Wirtschaftlichkeitsrahmen, Verantwortlichkeiten.
  • Finanzierung: Wirtschaftsplan/Einzelmaßnahmen, Sonderumlage, Rücklagenstrategie (§ 28 WEG).
  • Steuer-Compliance: Bevollmächtigung des Verwalters zur steuerlichen Registrierung, Abgabe von Feststellungs-/USt-Erklärungen; Mandatierung eines Steuerberaters.
  • Betriebsführung: Wartungs-/Vollwartungsvertrag, Brennstofflieferung, Messstellenbetrieb, Haftung/Versicherung, Dokumentationspflichten.
  • Messkonzept: Klare Abgrenzung Eigenverbrauch/Einspeisung; Verteilmaßstäbe in der Heizkostenabrechnung (HeizkostenV), DIN-Normen beachten.
  • Alternativen: Contracting statt Eigenbetrieb, wenn die Gemeinschaft kein Gewerbe-/Steuer-Setup tragen will.

Checkliste für Verwalter und Verwaltungsbeirat

  • Technik/Planung: Dimensionierung, Schall/Abgas, Laufzeiten, KWK-Quote, Förderfähigkeit.
  • Wirtschaftlichkeit: Vollkostenrechnung, Brennstoffpreis, Wartung, kalkulatorischer Ersatz, Zinsen.
  • Recht/Steuern: WEG-Beschlüsse, § 15 EStG, § 180 AO, § 19 UStG-Option prüfen.
  • Verträge: Einspeise-/Netzanschluss, Messstellenbetrieb, Wartung, Versicherung (Sach/Ertragsausfall).
  • Organisation: Verantwortliche benennen, Fristen- und Belegmanagement, interne Berichte.
  • Abrechnung: Trennung Stromerlöse vs. Heizkosten; Feststellungsbescheid und Einnahmenverteilung dokumentieren.

FAQ

  • „Infiziert“ der Gewerbebetrieb alle Einkünfte der GdWE?
    Nein. Die GdWE ist keine Kapitalgesellschaft. Es gibt keine „gewerbliche Prägung“ wie bei GmbH & Co. KG. Es bleibt bei der getrennten Einordnung je Tätigkeit; die BHKW-Stromlieferung ist gewerblich, die gemeinschaftsinterne Wärmeversorgung nicht.
  • Braucht es eine GbR zusätzlich?
    Nein. Die GdWE selbst ist Mitunternehmerschaft, wenn sie innerhalb des Verbandszwecks tätig wird.
  • Kleinunternehmerregelung sinnvoll?
    Nur, wenn die Vorsteuer aus Anschaffung/Wartung gering ist. Bei größeren Investitionen ist Regelbesteuerung mit Vorsteuerabzug meist vorteilhaft.
  • Wer unterschreibt die Steuererklärungen?
    Der nach § 9b WEG vertretungsberechtigte Verwalter oder ein beauftragter Steuerberater mit Vollmacht.
  • Wie verteilen sich Gewinn/Verlust?
    In der Feststellung nach dem beschlossenen oder vereinbarten Schlüssel (typisch Miteigentumsanteile), abweichende Regelung möglich.

Typische Fehler und wie man sie vermeidet

  • Keine Feststellungserklärung abgegeben → Steuerrisiko inklusive Verspätungszuschlägen.
  • USt-Option falsch gewählt → Vorsteuer verschenkt oder unnötige USt-Zahllast.
  • Vertragliche Lücken bei Wartung/Messstellenbetrieb → Ausfall- und Haftungsrisiken.
  • Abrechnungsvermischung Stromerlöse/Heizkosten → formale Fehler in BK-/HK-Abrechnung.
  • Fehlende Beschlüsse zu Betrieb/Haftung/Versicherung → Streit in der Gemeinschaft.

Praxisvarianten

  • Eigenbetrieb GdWE: volle Kontrolle, steuerliche Pflichten bei der Gemeinschaft.
  • Contracting: Dritter betreibt, GdWE bezieht Wärme; kaum gewerbliche Einkünfte, dafür langfristige Preisbindung.
  • Hybride Konzepte: BHKW plus Spitzenlastkessel, PV-Dach; Steuer-/Umlage-Mix sorgfältig strukturieren.

Rechtliche Verankerung in der Gemeinschaft

  • Beschluss „BHKW-Betrieb und Steuer-Compliance“ (Betrieb, Beauftragung Steuerberater, USt-Regime, Vollmachten).
  • Verfahrensordnung für technische Anlagen: Pflichtenheft, Melde- und Prüfzyklen.
  • Dokumentation: Anlagenakte, Wartungshistorie, Zähler- und Messkonzept, Verträge, Steuerakten.

Links und Ressourcen


Fazit

Betreibt die GdWE ein BHKW mit Stromeinspeisung, ist sie steuerlich Unternehmerin und erzielt gewerbliche Einkünfte. Die BFH-Linie gibt Rechtssicherheit: Feststellung bei der GdWE, Quotel-Zurechnung an die Eigentümer, klare USt-Option. Das WEMoG erleichtert die interne und externe Vertretung. Wer Beschlüsse, Verträge, Mess- und Steuerprozesse sauber aufsetzt, nutzt KWK wirtschaftlich und rechtssicher – ohne unnötige Risiken für Verwaltung, Beirat und Eigentümer.

 

Artikel vom 10.04.2029, aktualisiert Oktober 2025 Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH