Kündigungsausschluss im Wohnraummietrecht: Einseitige AGB-Klausel unwirksam, bilateral befristet zulässig – Leitfaden mit Praxisbausteinen


Kerngedanke

Kündigungsausschluss: Eine einseitige, formularvertragliche Klausel, die nur den Mieter am ordentlichen Kündigen hindert, ist regelmäßig unwirksam (§ 307 BGB). Ein solcher Ausschluss benachteiligt ihn unangemessen, wenn ihm kein ausgleichender Vorteil gewährt wird.

Zulässig sind individualvertragliche Abreden (ausgehandelt) oder eine beiderseitige formularmäßige Vereinbarung, in der beide Parteien befristet auf die ordentliche Kündigung verzichten. Praxisgrenze: maximal 4 Jahre ab Vertragsbeginn.

Sonderkündigungsrechte des Mieters (z. B. § 543, § 569 BGB; § 555e BGB) bleiben unangetastet und können nicht ausgeschlossen werden.


Rechtsrahmen – kurz

Ordentliche Kündigung des Mieters: Frist 3 Monate (§ 573c BGB), Schriftform (§ 568 BGB).

AGB-Kontrolle von Formularmietverträgen: § 307 BGB.

Befristung statt Kündigungsausschluss: Nur bei Zweckbefristung nach § 575 BGB zulässig, mit strengen Begründungsanforderungen.

Staffel-/Indexmiete: §§ 557a557b BGB; können als Gegenleistung flankierende Vorteile enthalten, ersetzen die AGB-Prüfung aber nicht.


Was ist unzulässig?

Einseitiger Kündigungsausschluss in Formularmietverträgen nur zu Lasten des Mieters, ohne echten Kompensationsvorteil.

– Kündigungsausschluss, der über 4 Jahre hinaus bindet (formularechtlich regelmäßig unwirksam).

– Klauseln, die Sonderkündigungsrechte des Mieters abbedingen (z. B. bei Modernisierung, Unzumutbarkeit, Gesundheitsgefahren).


Was ist zulässig?

Beiderseitiger Kündigungsverzicht (Vermieter und Mieter) in einer Formularklausel bis max. 4 Jahre ab Vertragsschluss.

Individualvereinbarung (tatsächlich ausgehandelt) über einen einseitigen Verzicht des Mieters, wenn ein klarer Ausgleich vorliegt (z. B. Mietvorteil, Einbauleistungen, Umzugskostenzuschuss). Der Aushandlungsprozess muss belegt werden.

Befristeter Kündigungsausschluss bei Neubaubezug/Investitionen, wenn transparent, beiderseitig und zeitlich klar begrenzt.


„Ausgleichender Vorteil“ – Beispiele

Monetär: Anfangsrabatt, möblierungsbedingter Abschlag, Bonusmonate.

Sach-/Investitionsvorteil: Einbauten, Küchenausstattung, Boden, Sonderwünsche.

Planungssicherheit beider Seiten: Gleichlaufender Verzicht des Vermieters auf ordentliche Kündigung in der Verzichtsphase.


Grenzen und Laufzeit

– Beginn der Bindung: ab Vertragsabschluss. Endet die 4-Jahres-Phase, lebt das ordentliche Kündigungsrecht wieder auf.

Sonderkündigungen bleiben möglich (z. B. § 555e BGB nach Modernisierungsankündigung; § 561 BGB bei Mieterhöhung nach § 558).

Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund bleibt immer möglich (§§ 543569 BGB).


Formulierungsbausteine – Praxis

Beiderseitiger, befristeter Kündigungsverzicht (Formular)
„Vermieter und Mieter verzichten wechselseitig auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses bis zum [Datum, max. 4 Jahre ab Vertragsschluss]. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. Gesetzliche Sonderkündigungsrechte des Mieters bleiben unberührt.“

Individualvereinbarung mit Ausgleich (gesondert zu unterzeichnen)
„Der Mieter verzichtet bis zum [Datum] auf die ordentliche Kündigung. Als Ausgleich gewährt der Vermieter: [konkreter Vorteil, z. B. Nettomietreduktion um … % für … Monate / Einbauküche im Wert von … € / Umzugskostenzuschuss … €]. Diese Regelung wurde ausgehandelt.“


Do’s & Don’ts

Do: Klare Laufzeit, wechselseitige Bindung, ausdrücklicher Erhalt der Sonderkündigungsrechte.

Do: Bei Individualvereinbarungen den Aushandlungsprozess dokumentieren (Entwurfsstände, E-Mails, handschriftliche Änderungen, getrennte Unterschriftenzeile).

Don’t: Einseitige Mieterbindung ohne echte Kompensation; pauschale, lange Bindungen > 4 Jahre; verdeckte Abbedingung von Sonderkündigungen.


FAQ

Gilt der Verzicht auch bei Modernisierung? Das Sonderkündigungsrecht nach § 555e BGB bleibt bestehen.

Kann der Mieter einen Nachmieter stellen und früher raus? Nur bei Vereinbarung oder besonderer Lage; ein generelles Recht gibt es nicht.

Staffelmiete und Kündigungsausschluss zugleich? Möglich, aber jede Klausel unterliegt der AGB-Kontrolle; Vorteilsausgleich transparent machen.

Was, wenn die 4-Jahres-Grenze überschritten wird? Der überschießende Teil ist regelmäßig unwirksam; es gilt die gesetzliche Kündigung.


Quintessenz

Kündigungsausschluss funktioniert rechtssicher nur als beiderseitige und zeitlich begrenzte Bindung oder als echte Individualvereinbarung mit ausgleichendem Vorteil. Sonderkündigungen und fristlose Kündigung bleiben unberührt. Saubere Dokumentation senkt Anfechtungsrisiken.


Ursprünglicher Artikel: Februar 2009

Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH