Einspeisevergütung: Was Wohnungseigentümergemeinschaften jetzt konkret beachten sollten
Schwerpunkt WEG-Praxis: Von der Vergütung über Smart-Meter-Regeln bis zum Beschluss in der Eigentümerversammlung – kompakt, verständlich, umsetzbar.
Ausgangslage: Einspeisevergütung unter Druck – Förderung besteht (noch)
Die Einspeisung von privat erzeugtem Solarstrom wird nach dem EEG vergütet. Parallel läuft eine politische Debatte über eine Rückführung bzw. Fokussierung der Förderung für neu installierte Kleinanlagen; Bestandsanlagen bleiben unberührt. Zusätzlich wird diskutiert, künftige Netzentgelte breiter zu verteilen und Einspeiser stärker einzubinden. Für Eigentümer und WEG gilt deshalb: Projekte sauber kalkulieren, Fristen einhalten, Betriebsmodelle (Teileinspeisung vs. Volleinspeisung) bewusst wählen – und die Vergütungssätze zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme fixieren.
Fördermechanik: Teileinspeisung vs. Volleinspeisung
- Teileinspeisung (Überschuss): Eigenverbrauch hat Priorität; Überschüsse werden vergütet. Für WEG interessant, wenn Allgemeinstrom (z. B. Treppenhaus, Heizung, Tiefgarage) reduziert werden soll.
- Volleinspeisung: Einspeisung der gesamten erzeugten Energie gegen höhere Vergütungssätze; eignet sich für investorische Modelle und für Dächer ohne nennenswerten Eigenverbrauch auf Gemeinschaftsflächen.
- Grundsatz: Der maßgebliche Vergütungssatz hängt von Inbetriebnahme, Anlagenleistung und Standort (Gebäude/sonstige Anlage) ab; er gilt 20 Jahre ab Inbetriebnahme (zuzüglich Rest des Inbetriebnahmejahres).
Aktuelle Degression und Vergütungssätze
Seit dem 01.02.2024 sinken die Vergütungen für neue Anlagen halbjährlich um 1 %. Nach der Anmeldung bleiben die Sätze 20 Jahre konstant. Zuletzt wurden die Sätze zum 01.08.2025 abgesenkt. Orientierungswerte 01.08.2025–31.01.2026 (Gebäude/Lärmschutzwand bis 100 kW):
- bis 10 kW: Teileinspeisung 7,86 ct/kWh • Volleinspeisung 12,47 ct/kWh
- bis 40 kW: Teileinspeisung 6,80 ct/kWh • Volleinspeisung 10,45 ct/kWh
- bis 100 kW: Teileinspeisung 5,56 ct/kWh • Volleinspeisung 10,45 ct/kWh
- sonstige Anlagen bis 100 kW: 6,32 ct/kWh (Teil-/Volleinspeisung)
Rechenhinweis: Bei einer angenommenen Nutzungsdauer von 20 Jahren können je nach Anlagengröße 11.000–12.500 € Einspeiseerlöse entfallen, wenn eine Förderung für neue Kleinanlagen künftig wegfallen sollte – umso wichtiger ist ein realistisches Eigenverbrauchskonzept.
Neue Vorgaben: Smart Meter, vergütungsfreie Zeitfenster und 60 %-Regel
- Smart-Meter-Anlagen (Inbetriebnahme ab 25.02.2025): In Phasen mit sehr hoher gleichzeitiger Einspeisung können vergütungsfreie Zeitfenster entstehen. Die 20-jährige Vergütungsdauer verlängert sich um diese Zeiträume.
- Ohne Smart Meter: Maximal 60 % der Generatorleistung dürfen ins Netz eingespeist werden; der Rest sollte sinnvoll selbst verbraucht oder gespeichert werden, sonst droht Abregelung.
Steuern & Abgaben (Kurzüberblick)
- Einkommen-/Gewerbesteuer: Rückwirkend seit 2022 sind viele Einspeiseerlöse steuerfrei (u. a. Einfamilienhäuser bis 30 kWp, Mehrfamilienhäuser bis 15 kWp je Wohnung bei Eigennutzung). Prüfen Sie die konkrete Konstellation.
- Umsatzsteuer: Lieferung und Installation von PV-Anlagen auf/nahe Wohngebäuden sind regelmäßig mit 0 % USt begünstigt; bei entgeltlicher Einspeisung kann USt-Pflicht entstehen, oft greift die Kleinunternehmerregelung.
WEG-Spezial: So setzen Gemeinschaften Photovoltaik rechts- und betriebsfest um
1) Beschlussarchitektur
- Grundsatzbeschluss zur Errichtung auf dem Gemeinschaftsdach (bauliche Maßnahme am Gemeinschaftseigentum), inkl. Zielbild: Teileinspeisung (Allgemeinstrom optimieren) oder Volleinspeisung (Erlösmodell).
- Wirtschaftlichkeits- und Finanzierungsbeschluss: Investitionssumme, laufende Kosten (Betrieb, Wartung, Versicherung), Rücklagen-/Sonderumlage, Verteilung nach § 16 Abs. 2 WEG, ggf. Nutzerbeteiligung.
- Betriebs-/Dienstleisterbeschluss: Planung, Statik, Abstimmung mit Netzbetreiber, Zähl- und Messkonzept, Errichter/Wartung, Monitoring, Störfallmanagement, Versicherungen (Sach/Ertragsausfall).
2) Mess- und Nutzungsmodelle
- Allgemeinstrom-Modell: PV deckt Hausstrom (Treppenhaus, Aufzug, Heizung, TG-Lüftung). Überschuss wird vergütet.
- Objekt- oder Mieterstrom-Modell: Direktbelieferung einzelner Einheiten via rechtssicherem Liefermodell. Komplexer (Lieferantenrolle, Abrechnung, Lieferantenrahmen), aber mit hohem Eigenverbrauchspotenzial.
- Kaskadierte Messung/Summenzähler: Voraussetzung für saubere Trennung von Eigenverbrauch, Allgemeinstrom, Einspeisung.
3) Technik & Sicherheit
- Statik/Brandschutz: Lastannahmen, Dachhaut, Dachdurchdringungen, Sektionierung, Feuerwehrschalter, Blitz-/Überspannungsschutz.
- Smart-Meter-Gateway: Optional Pflicht, je nach Größe/Netzbetreiber; ermöglicht netzdienlichen Betrieb und kann Vergütung optimieren.
- Speicher: Erhöht Eigenverbrauch, entlastet Netz; in der WEG sorgfältig kalkulieren (Zyklen, Wirkungsgrad, Ersatzinvestitionen).
4) Recht & Organisation
- Inbetriebnahme & Registrierung: Vorabmeldung beim Netzbetreiber, Inbetriebnahmeprotokoll, Registrierung im Marktstammdatenregister binnen 1 Monat – sonst drohen Bußgeld und Verlust der Vergütung.
- Haftung & Verantwortlichkeiten: Die WEG ist Trägerin; der Verwalter organisiert auf Beschlussbasis (Beauftragung, Fristen, stichprobenartige Kontrolle), ist aber nicht originär verkehrssicherungspflichtig.
- Gestaltung am Dach: Einheitliches Belegungsbild, Blend-/Verschattungsschutz, Wartungswege. Für Einzelanlagen auf Sondereigentümerwunsch sind besondere Gestattungen und klare Kostentragung zu regeln.
Fristen, Fallstricke, Praxistipps
- Fristen im Blick: Degressionsstichtage (halbjährlich), Netzbetreiber-Slots, MaStR-Frist (1 Monat), ggf. Smart-Meter-Rollout-Termine.
- Eigenverbrauch priorisieren: Wirtschaftlich oft überlegen – Allgemeinstromlasten analysieren (Lüftung, Heizungspumpen, TG-Tore, Beleuchtung).
- Abregelungsrisiken minimieren: Wechselrichter-Auslegung, Speicher einsetzen, Lastverschiebung (z. B. TG-Lüfter am Tag), Smart-Meter-Fähigkeit.
- Versichern: Allgefahren, Ertragsausfall, Haftpflicht; Bedingungen auf Flachdach/Steildach und Blitzschutz abstimmen.
- Dokumentation: Beschlüsse, Verträge, Protokolle, Wartungsnachweise und Monitoringberichte im Eigentümerportal bereitstellen.
Was Balkonkraftwerke in der WEG bedeuten
- Grundsatz: Balkonkraftwerke sind meist zulässig, aber anzeige-/beschlusspflichtig, wenn Gestaltung/Anbringung Gemeinschaftseigentum betrifft (Fassade, Brüstung, Leitungsführung). Einheitliche Gestaltungsleitlinien und sichere Montage sind zu empfehlen.
- Steuern: In der Regel einkommen-/gewerbesteuerfrei; umsatzsteuerlich 0 % für Lieferung/Installation, bei entgeltlicher Einspeisung ggf. Kleinunternehmerregelung prüfen.
Fazit
Einspeisevergütung bleibt für WEG-Projekte ein relevanter Baustein – der Hebel liegt jedoch zunehmend beim Eigenverbrauch und einem netzdienlichen Betrieb (Smart Meter, Speicher, Lastmanagement). Wer Beschlussarchitektur, Messkonzept, Fristen und Versicherungen sauber aufsetzt, sichert stabile Erlöse, senkt Hausnebenkosten und hält künftigen Regulierungen stand. Bestandsanlagen bleiben geschützt; neue Projekte sollten die halbjährliche Degression und mögliche Netzentgelt-Reformen aktiv mitdenken.
Autor: Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH • Veröffentlicht am: 17.11.2025 • „Einspeisevergütung“




