Elektromobilität in Mehrfamilienhäusern: Was seit 2017 gilt – Recht, Technik, Praxis
Elektromobilität ist von der Nische in die Breite gewachsen. 2017 scheiterte vieles an unklaren Regeln, knapper Förderung und fehlender Infrastruktur. 2025 ist die Lage anders: Wohnungseigentümer haben Rechtsansprüche auf Ladepunkte, Neubauten brauchen Vorverkabelung, Netzbetreiber steuern Lasten, Förderprogramme kommen in Wellen. Dieser Überblick fasst die Entwicklung seit 2017 zusammen und zeigt, wie GdWE und Verwalter heute Ladeinfrastruktur in Bestands- und Neubauten sauber umsetzen.
1) Rechtslage heute vs. 2017: klare Ansprüche, klare Zuständigkeiten
• WEG-Recht (seit WEMoG 2020): Ladepunkte sind eine privilegierte bauliche Veränderung. Jeder Wohnungseigentümer kann die Zustimmung verlangen, „die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen“. Die Gemeinschaft beschließt Ausführung, Ort, Technik und Betrieb. § 20 WEG.
• Kosten (WEG): Grundsätzlich tragen Antragsteller die Herstellungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten. Werden gemeinschaftliche Anlagen allgemein aufgewertet (z. B. Lastmanagement, Leitungsinfrastruktur), kann eine verteilte Kostentragung nach Maßgabe von § 21 WEG in Betracht kommen. Beschlüsse müssen Inhalt, Umfang und Kostenschlüssel eindeutig regeln.
• Mietrecht (seit 2020): Mieter haben einen Zustimmungsanspruch für bauliche Änderungen „zum Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge“, soweit zumutbar; Rückbau-/Sicherheiten sind regelbar. § 554 BGB.
• Neubau & größere Renovierungen: Das GEIG verpflichtet zu Leitungsinfrastruktur (Leerrohre/Vorverkabelung) und anteiligen Ladepunkten, abhängig von Gebäudeart und Stellplatzanzahl. GEIG.
2) Netz & Technik 2024/2025: Steuerbare Lasten, sichere Installation
• Netzanschluss & Meldepflicht: Wallboxen sind dem Netzbetreiber anzuzeigen; ab bestimmter Leistung genehmigungspflichtig. Technischer Standard u. a. nach TAB/VDE (Hausanschluss, Zählerplatz, Fehlerstromschutz, Brandschutzkonzept in der Tiefgarage).
• Lastmanagement: In Mehrfamilienhäusern ist intelligente Steuerung (dynamisch/statisch) Stand der Technik. Verteilt Anschlussleistung fair, vermeidet Ausbauten, erhöht zugleich Elektromobilität-Komfort.
• § 14a EnWG (seit 2024 wirksam): Steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen können vom Netzbetreiber temporär gedrosselt werden; im Gegenzug gibt es reduzierte Netzentgelte bzw. vereinfachten Netzanschluss. Festlegungen der Bundesnetzagentur seit 27.11.2023 bilden den Rahmen. (Hinweisquelle: BNetzA-Kommunikation vom 27.11.2023.)
3) Tiefgaragen: Sicherheit, Ordnung, Zugangsregeln
• Brandschutz & Betrieb: Projektierung über Fachplaner/Elektrofachbetrieb. Klare Kabelführungen, Schutzkonzepte, Kennzeichnung und regelmäßige Prüfungen sind Pflichtbausteine.
• Hausordnung & Nutzung: Regeln für Stellplätze, Kabel, Abstellen von Elektromobilität-Zubehör, Park- und Ladezeiten, Gäste- und Sharing-Laden, Störungs- und Notfallmeldungen.
• Betreiberfragen: Varianten reichen von Eigentümer-Wallbox am Stellplatz bis zu gemeinschaftlicher Anlage mit Backend-Abrechnung. Daten- und eichrechtskonforme Messung bei Weitergabe an Dritte beachten.
4) Beschluss-Praxis für die GdWE: schlank, eindeutig, vollzogen
• Einzelantrag (privilegiert): Beschluss über Ort/Trasse, Leitungsquerschnitte, Sicherungen, Zähler-/Untermessung, Lastmanagement-Anbindung, Zugangsrechte Handwerker, Dokumentation, Rückbaupflichten.
• Gesamtkonzept: Voruntersuchung Hausanschluss/Steigzonen, Masterplan Ladeinfrastruktur mit Skalierung, Lastmanagement, Brandschutz, Betreiber- und Abrechnungsmodell. Danach Rahmenbeschluss plus Einzelausführung per Verwaltervollmacht.
• Kosten & Umlage: Transparente Trennung zwischen individuellem Ausbau (Antragsteller zahlt) und allgemeiner Infrastruktur (nach Beschluss und Schlüssel). Wartung/Betrieb definieren, Verwaltervergütung für Projektsteuerung als Sondervergütung ausweisen.
5) Förderung & Wirtschaftlichkeit: Was seit 2017 passierte
• KfW 440 (Privat-Wallbox, 2020–2021): Programm abgeschlossen; Mittel waren rasch ausgeschöpft.
• KfW 442 „Solarstrom für Elektroautos“ (ab 2023): Zuschüsse für PV, Speicher und Wallbox in Kombination; Antragsrunden wurden wiederholt sehr schnell ausgeschöpft. Beobachten, ob neue Budgets aufgelegt werden.
• Länder/Kommunen/Netzbetreiber: Teils ergänzende Programme (z. B. für Lastmanagement, Elektromobilität-Pilotierungen). Fördersuche immer vor Beschluss/Vergabe durchführen.
• Gesamtbild: Trotz schwankender Zuschüsse sind TCO und Objektwert durch Planungssicherheit, günstigeren Antriebsstrom und CO₂-Kosten-Resilienz oft positiv – vor allem bei gemeinschaftlichen Konzepten.
6) Häufige Praxisfragen 2025
Wer entscheidet über Technik? Die GdWE. Eigentümer haben den Anspruch auf Zustimmung, nicht auf eine bestimmte Ausführung. Technik wird gemeinschaftlich festgelegt (z. B. verbindliches Lastmanagement). (§ 20 WEG)
Wer zahlt? Grundsatz: Wer beantragt, zahlt. Bei gemeinschaftlich nutzbaren Infrastrukturen ist ein Beschluss zur Kostenverteilung nach § 21 WEG erforderlich.
Dürfen Mieter laden? Ja, mit Zustimmung des Vermieters auf Basis § 554 BGB. In WEG-Objekten zusätzlich die GdWE-Beschlusslage beachten.
Tiefgarage „zu wenig Leistung“ – was dann? Lastmanagement, Phasensymmetrie, ggf. Hausanschluss-Upgrade. § 14a EnWG eröffnet netzseitige Steuerungsoptionen mit Entgeltvorteilen.
Brandschutz „verhindert“ Elektromobilität? Nein. Er verlangt Planung und dokumentierte Schutzmaßnahmen. Das ist integrierbar.
7) Umsetzung in 6 Schritten: von Wunsch zur einsatzfähigen Anlage
1) Bedarf & Zielbild erheben (Wie viele Stellplätze? Privat vs. Community? Geschwindigkeit?).
2) Technische Bestandsaufnahme (Hausanschluss, Verteilungen, Trassen, Brandschutz, Netzbetreiber-Dialog).
3) Konzept (Lastmanagement, Mess-/Abrechnung, Betreiberrolle, Wartung), Kostenteilung definieren.
4) Beschlüsse (Rahmen + Einzelmaßnahmen), Sondervergütungen für Projektsteuerung eindeutig regeln.
5) Fördercheck und Vergabe (Leistungsbeschreibung standardisieren, Vergleichbarkeit sichern).
6) Installation, Inbetriebnahme, Dokumentation, Übergabe an Betrieb, Störungs- und Serviceprozesse.
Fazit
Seit 2017 ist aus Rechtsunsicherheit ein belastbarer Rahmen geworden: § 20 WEG und § 554 BGB sichern den Zugang, das GEIG zwingt zur Vorsorge, § 14a EnWG stabilisiert die Netze. Wer Elektromobilität in der GdWE strategisch plant, Lastmanagement vorgibt, Kosten sauber beschließt und Fördertakte nutzt, senkt Risiken und schafft Wert. Für Verwaltungen bedeutet das: Prozesse, Vorlagen und Elektromobilität-Standards fest verankern – dann wird der Ladepunkt vom Einzelfall zur Routine.
Ursprünglicher Artikel: Dezember 2017
Aktualisiert am 28.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH




