dena-Gebäudereport: Energiewende im Gebäudebereich kommt nicht voran

Aktualisiert am: 13.10.2025


Ausgangslage 2018: Stagnierender Endenergieverbrauch in Gebäuden

Der dena-Gebäudereport 2018 konstatierte: Der Endenergieverbrauch in Wohn- und Nichtwohngebäuden stagnierte nach einem Rückgang in den Jahren 2002–2010. Der Trend zu mehr Effizienz verlor an Dynamik, Sanierungsraten blieben niedrig, und die Energiewende im Gebäudebereich geriet ins Stocken.


Warum die Energiewende im Gebäudesektor stockte

  • Hoher Sanierungsstau im Bestand, insbesondere bei Hülle und Anlagentechnik.
  • Heterogene Förderlandschaft, häufige Programmwechsel, komplexe Antragswege.
  • Geringe Transparenz zu Wirtschaftlichkeit und CO₂-Wirkung geplanter Maßnahmen.
  • Fachkräftemangel im Handwerk und bei Planungsbüros.
  • „Nutzer-Investoren-Dilemma“ zwischen Eigentümer und Mieter bei energetischen Modernisierungen.

Was sich seit 2018 geändert hat – Rechtsrahmen und Programme

  • Gebäudeenergiegesetz (GEG): 2020 als Zusammenführung von EnEV, EEWärmeG und EnEG in Kraft; seither mehrfach novelliert. Kernpunkte: Mindestanforderungen an Neubau/Bestand, Primärenergiefaktoren, Bilanzierungsregeln, Nachweise. gesetze-im-internet.de/geg

  • 65-Prozent-Erneuerbaren-Anteil bei neuen Heizungen: Seit 2024 gilt grundsätzlich der Grundsatz, dass neu eingebaute Heizungen perspektivisch zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Einstieg und die Übergänge hängen u. a. von der kommunalen Wärmeplanung ab. Ausnahmen, Übergangs- und Härtefallregelungen sind vorgesehen. § 71 GEG

  • Kommunale Wärmeplanung: Flächendeckende Wärmepläne sollen Investitionssicherheit schaffen, Pfade zu Wärmenetzen, Großwärmepumpen und dezentralen Lösungen zeigen und so die lokale Energiewende beschleunigen. bmwk.de

  • Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG): Seit 2021 Bündelung der Zuschüsse und Kredite (Einzelmaßnahmen und Effizienzhaus/Effizienzgebäude). 2023/2024 Anpassungen bei Fördersätzen, Bonusregeln und Zielgruppen. Heizungstausch wird gesondert und einkommensabhängig gefördert; Kombinationen mit Effizienz-Einzelmaßnahmen sind möglich. kfw.debafa.de

  • CO₂-Kostenaufteilung im Mietverhältnis: Staffelmodell nach energetischem Zustand des Gebäudes verteilt seit 2023 CO₂-Kosten zwischen Vermieter und Mieter, um Sanierungsanreize zu stärken. CO₂KostAufG

Stand der Dinge 2025: Wo der Gebäudesektor heute steht

  • Emissionsentwicklung: Der Gebäudesektor hat seine Emissionen in den letzten Jahren reduziert, die Zielerreichung bleibt jedoch herausfordernd. Mildere Winter und Konjunktureffekte dämpften teils den Verbrauch, strukturelle Einsparungen entstehen vor allem dort, wo Hülle und Anlagentechnik umfassend modernisiert wurden.
  • Sanierungsrate: Leichte Belebung bei Einzelmaßnahmen (Wärmepumpen, Dämmung, Fenster), weiterhin zu wenig ganzheitliche Sanierungen zum Effizienzhausstandard im Bestand.
  • Wärmewende: Starke Dynamik bei elektrischen Wärmepumpen und beim Aus- bzw. Umbau von Wärmenetzen. Herausforderungen: Netzanschlussleistung, Gebäudehydraulik, niedrige Systemtemperaturen, Schallschutz, Verfügbarkeit qualifizierter Betriebe.
  • Förderlogik: Höhere Zuschüsse für den Heizungstausch bei geringen Einkommen, zusätzliche Boni sowie Kredite für Effizienzmaßnahmen.

Was Eigentümer, Verwalter und Kommunen jetzt konkret tun können

1) Strategie klären

  • Wärmeplan prüfen: Ist ein Wärmenetz perspektivisch geplant? Falls ja, Gebäude auf niedrige Vorlauftemperaturen trimmen und Übergangslösungen wählen. Falls nein, individuelle Wärmeversorgung planen.
  • Gebäudebilanz erstellen: Verbrauch, Heizlast, Vorlauftemperaturen, Hüllstandard, Anlagentechnik, Hydraulik, Regelung.

2) Maßnahmen bündeln

  • Hülle: Dach/OG-Decke, Außenwand, Fenster, Kellerdecke priorisieren. Jede Maßnahme senkt die erforderliche Systemtemperatur für zukünftige Wärmepumpen.
  • Anlage: Hydraulischer Abgleich, große Heizflächen, effiziente Übergabestationen, drehzahlgeregelte Pumpen, smarte Regelung.
  • Erzeugung: Wärmepumpe mit passender Quelle (Luft, Sole, Wasser); Hybrid-Konzepte nur als Brücke. Prüfung von (kalten) Nahwärmenetzen und Großwärmepumpen in Quartieren.

3) Förderung sichern

  • Frühzeitig Förderkulisse prüfen (Heizung, Einzelmaßnahmen, Effizienzhaus), Kopplungen und Boni berücksichtigen.
  • Sorgfältige Antragstellung: Reihenfolge beachten (meist Antrag vor Auftrag), Energie-Nachweise beilegen, Fachunternehmererklärungen einplanen. KfW-ProgrammeBAFA-Einzelmaßnahmen

4) Finanzierung und Betrieb

  • Lebenszyklus statt Invest: TCO/CapEx+OpEx+Energiepreisrisiko vergleichen.
  • Contracting-Modelle, Quartierslösungen, Betreiberkonzepte für Wärmenetze prüfen.
  • Monitoring einführen: Verbräuche, Temperaturen, Betriebsstunden, COP/JAZ.

Technische Leitplanken für die erfolgreiche Energiewende im Bestand

  • Niedrige Vorlauftemperaturen: Ziel ≤ 55 °C, besser ≤ 45 °C. Hüllmaßnahmen und Flächenheizungen helfen.
  • Hydraulik: Abgleich, saubere Zonenbildung, korrekte Auslegung der Heizflächen, richtige Pumpenkennlinien.
  • Wärmepumpen-Quellenwahl: Luft ist verfügbar, aber schall-/strompreis-sensibel. Sole/Wasser erhöht Effizienz, braucht Erschließung.
  • Wärmenetze: Dekarbonisierung über Großwärmepumpen, Solarthermie, Geothermie, Abwärme. In Bestandsnetzen: Rücklauftemperaturen senken.
  • Strom: PV-Erzeugung und Mieterstrom/Quartiersstrom koppeln, Lastmanagement und Speicher berücksichtigen.
  • Lüftung: Dichtheit + Feuchteschutz beachten; zentrale/dezentrale Lüftung mit WRG verhindert Feuchteschäden und verbessert Effizienz.

Wirtschaftlichkeit: Hebel, die Projekte tragfähig machen

  • Fördermix nutzen: Zuschüsse + zinsgünstige Kredite; Boni für schnelle Umstellung oder besonders klimafreundliche Systeme.
  • Betrieb optimieren: Vorlauftemperaturen reduzieren, Heizkurven flacher stellen, Regelstrategie saisonal anpassen.
  • PV-Eigenstrom: Wärmepumpenbetrieb tagsüber priorisieren, Warmwasser als Speicherkapazität nutzen.
  • Serielle Sanierung: Vorgefertigte Fassaden/Dach-Elemente verkürzen Bauzeit, senken Kostenrisiken.

Rolle der Akteure

  • Eigentümer/WEG: Strategische Beschlüsse, Sanierungsfahrplan, Beschlusskompetenzen sauber nutzen.
  • Verwalter: Ausschreibungen, Förderfristen, Bauüberwachung, Gewährleistungsmanagement, Kommunikation.
  • Kommunen: Wärmeplanung, Netzausbau, Genehmigungen beschleunigen, Datenzugang verbessern.
  • Handwerk/Planer: Systemdenken statt Einzelgewerk, Qualitätssicherung, Dokumentation, Monitoring.

Typische Fallstricke und wie man sie vermeidet

  • „Heizung zuerst“ ohne Hülle: Führt zu hohen Vorlauftemperaturen und schlechten JAZ. Immer Systemtemperatur senken.
  • Fehlende hydraulische Maßnahmen: Verhindern Effizienz und Komfort. Abgleich ist Pflicht.
  • Falsche Dimensionierung: Über- oder Unterleistung verschlechtert Effizienz und Lebensdauer. Heizlast korrekt berechnen.
  • Antragstellung zu spät: Erst Förderung sichern, dann beauftragen.
  • Schall/Standort: Luft-WP-Aufstellung mit Immissionsschutz abstimmen, Körperschall entkoppeln.

Rechtliche Kernverweise und hilfreiche Quellen


FAQ zur Energiewende im Gebäudebereich

  • Reicht der Heizungstausch alleine? Nein. Ohne abgesenkte Systemtemperaturen und hydraulische Optimierung bleiben Effizienzpotenziale ungenutzt.
  • Ist eine Wärmepumpe im Altbau realistisch? Ja, wenn Heizlast korrekt ermittelt, Hülle verbessert und Systemtemperaturen gesenkt werden.
  • Wärmepumpe vs. Fernwärme? Hängt vom Wärmeplan und Netzperspektive ab. Wärmenetz mit Dekarbonisierungspfad kann wirtschaftlich und klimaseitig sehr attraktiv sein.
  • Lohnt PV ohne Speicher? Ja. Eigenverbrauch für WP/Haustechnik senkt Strombezug. Speicher kann Wirtschaftlichkeit steigern, ist aber kein Muss.
  • Wie verteilen sich CO₂-Kosten bei Vermietung? Nach Gebäude-Effizienzstufe per Stufenmodell. Je schlechter der Zustand, desto höher der Vermieteranteil.

Fazit

Der dena-Befund von 2018 – Stagnation – ist in Teilen überwunden, die Energiewende im Gebäudebereich bleibt jedoch ein Langstreckenlauf. Der Rechtsrahmen ist schärfer, die Förderung gezielter, die Technik verfügbar. Entscheidend sind jetzt saubere Planung, abgesenkte Systemtemperaturen, ein stringenter Sanierungsfahrplan und eine konsequente Nutzung der Förderinstrumente. Wer Gebäude systemisch denkt und Maßnahmen bündelt, erreicht verlässlichere Einsparungen, geringere Emissionen und behält die Betriebskosten im Griff.