Entsorgungsverordnung für HBCD-Dämmplatten: Was seit 2017 gilt – und was WEGs heute beachten sollten


Ausgangspunkt 2017: Bundesrat schafft Praxisfähigkeit

Im Oktober 2017 berichteten wir über die Entsorgungsverordnung für HBCD-haltige Dämmstoffe (EPS/XPS). Hintergrund war die zwischenzeitliche Einstufung solcher Abfälle als „gefährlich“, die Baustellen und Entsorger überlastete. Mit der POP-Abfall-Überwachungsverordnung und begleitenden Anpassungen wurde der rechtssichere Entsorgungsweg wiederhergestellt: HBCD-haltige Dämmstoffe gelten seither in der Regel nicht mehr als „gefährlicher Abfall“, sind aber als POP-Abfälle besonders zu überwachen und müssen so behandelt werden, dass der Schadstoff zerstört wird (praktisch: thermische Behandlung). Diese Linie gilt bis heute.


Rechtslage heute in Kürze

  • Klassifikation: HBCD-haltige EPS/XPS-Abfälle sind POP-Abfälle. Sie sind überwachungsbedürftig, auch wenn sie nicht als „gefährlich“ im Sinne der AVV eingestuft sind.
  • Entsorgungsweg: Zwingend Zuführung zu Anlagen, die POPs zerstören (z. B. geeignete Müll- oder Sonderabfallverbrennungsanlagen; Zementwerke nur, wenn zugelassen). Recycling ist ausgeschlossen.
  • Nachweisführung: Für Transporte/Verwertung gilt die Nachweispflicht nach NachwV (i. d. R. elektronisch via eANV). Entsorgungsnachweis und Begleitschein sind sauber zu führen.
  • Abfallschlüssel: Typisch 17 06 04 (Dämmmaterialien, ohne gefährliche Stoffe) bei POP-Überwachung; 17 06 03* bei anderen gefährlichen Stoffen. Die Wahl des Schlüssels richtet sich nach Zusammensetzung und Anlagenvorgaben.

Maßgebliche Normen: Nachweisverordnung (NachwV); Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV). Fachhinweise: UBA- und Länderleitfäden zur POP-Abfall-Überwachung.


Was hat sich seit 2017 konkret verbessert?

  • Annahmefähigkeit: Verbrennungsanlagen haben Annahmeregeln konsolidiert. Der Abfluss der Baustellenmengen ist planbarer.
  • Belegwesen: eANV-Prozesse sind etabliert. Entsorgungsnachweise werden früher beantragt und objektbezogen dokumentiert.
  • Vergabe: Leistungsverzeichnisse definieren heute häufiger getrennte Erfassung, staubarme Demontage, Verpackungsstandards (Big-Bags/Pressballen) und direkte Lieferverträge mit Anlagen.

Praxisleitfaden für WEGs und Verwalter

1) Bestand erfassen

  • Baustoffhistorie prüfen (Baujahr/ Sanierungsjahre; WDVS-Layer, EPS/XPS-Typen).
  • Probenahme nur bei unklarer Lage veranlassen; sonst: pauschale POP-Behandlung kalkulieren.

2) Entsorgung vor Baubeginn sichern

  • Entsorger/Anlage mit bestätigter Annahme buchen; Entsorgungsnachweis (Voll- oder Sammelentsorgungsnachweis) frühzeitig klären.
  • Transportkette inkl. Verpackung/Logistik (dicht, beschriftet, witterungsgeschützt) vertraglich festlegen.

3) Ausschreibung richtig formulieren

  • „Rückbau, Verpackung, Transport und thermische Behandlung HBCD-haltiger Dämmstoffe als POP-Abfall inkl. Nachweisführung gem. NachwV; Abfallschlüssel gemäß Anlagenvorgabe“.
  • Getrennte Positionen für: Demontage, Big-Bags/Pressung, Wiegescheine, Begleitscheine, Entsorgungsnachweis, Baustellenkoordination.

4) Dokumentation

  • Je Objekt: Entsorgungsvertrag, Annahmeerklärung der Anlage, eANV-Belege, Wiegescheine, Fotodoku der Verpackung/Trennung.
  • Nacharbeiten: Abgleich Mengen/Abrechnung, Archivierung in der Beschlusssammlung/Objektakte.

Typische Fehler – und wie man sie vermeidet

  • Fehleinstufung: Populär ist die vorschnelle Wahl des falschen Abfallschlüssels. Lösung: Anlagenvorgabe einholen, Vorabstimmung mit Entsorger und Behörde.
  • Zu späte Nachweisbeantragung: Verzögert Baustarts. Lösung: Nachweis parallel zur Planung anstoßen.
  • Vermischung von HBCD-Material mit anderen Baustoffen: verteuert Entsorgung. Lösung: getrennte Erfassung strikt durchsetzen.

Kostenbild 2025

Die Entsorgungskosten hängen von Menge, Verpackung, Transportdistanz und Anlagenverfügbarkeit ab. Kalkulatorisch sinnvoll ist eine objektweise Fixierung mit Preisgleitklausel für Treibstoff/Anlagenzuschläge. Für WEG-Beschlüsse empfehlen sich separate Kostenpositionen für Entsorgung und Nebenkosten (Proben, Big-Bags, eANV, Logistik), damit Nachträge vermieden werden.


FAQ

Müssen HBCD-Dämmstoffe immer verbrannt werden?
Ja. POP-Abfälle sind so zu entsorgen, dass die POP-Substanz zerstört wird. Praktisch: thermische Behandlung in geeigneten Anlagen. Recycling ist ausgeschlossen.

Ist das Material „ungefährlich“, weil es nicht mehr als gefährlicher Abfall gilt?
Nein. Es bleibt überwachungsbedürftig. Nachweisführung und fachgerechte Behandlung sind Pflicht.

Welcher Abfallschlüssel ist der richtige?
In der Praxis 17 06 04 (nicht gefährliche Dämmstoffe) bei POP-Überwachung; 17 06 03* bei anderen Gefährlichkeitskriterien. Endgültig legt dies die Entsorgungsanlage/Behörde anhand der Zusammensetzung fest.

Was gehört in den WEG-Beschluss?
Benennung der Maßnahme, POP-konforme Entsorgung inkl. Nachweisführung, Budgetrahmen, Bevollmächtigung des Verwalters zur Vergabe und zur eANV-Abwicklung.


Bezug zum Stand 2017

Die damalige „Entsorgungsverordnung“ beendete den Entsorgungsstau und definierte den heute gültigen Pfad: POP-Überwachung statt pauschaler „Gefährlichkeit“, verpflichtende Zerstörung des HBCD in geeigneten Anlagen und klare Nachweisführung. Für Eigentümergemeinschaften heißt das seit 2017: rechtzeitig planen, sauber trennen, Nachweise führen – dann bleiben Sanierung und Abrechnung beherrschbar.


Autor: Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Aktualisiert am 28.10.2025