Ex-Verwalter kann Anfechtungsklage nicht wirksam zugestellt werden – Heilung bleibt möglich
Kernaussage
Eine Anfechtungsklage, die nach Ablauf der Amtszeit an den Ex-Verwalter zugestellt wird, ist unwirksam. Der Mangel kann jedoch geheilt werden, wenn die Klageschrift oder eine inhaltsgleiche Kopie den richtigen Adressaten erreicht. Seit dem WEMoG 2020 gilt: Richtiger Beklagter ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zustellung hat an deren gesetzlichen Vertreter zu erfolgen.
Der Fall (Altrecht)
Nach einer Eigentümerversammlung wurde fristgerecht Klage erhoben. Die Zustellung erfolgte aber erst nach Ablauf der Verwalterbestellung an den „kommissarisch“ weiteragierenden Ex-Verwalter. Unter den Eigentümern kursierten Kopien bzw. Faxscans der Klageschrift.
Die Entscheidung (BGH 20.04.2018 – V ZR 202/16)
Der BGH verwarf die Zustellung an den Ex-Verwalter: Nach Ende der Amtszeit besteht keine Zustellungsvertretung mehr. Gleichwohl kann der Zustellungsmangel nach § 189 ZPO geheilt werden, wenn den Beklagten eine Kopie oder inhaltsgleiche Abschrift der Klage tatsächlich zugeht; ein Original ist nicht nötig. Eine bloße Information „der Klage kommt“ genügt nicht.
Was gilt seit dem WEMoG 2020?
- Richtiger Beklagter: Bei Beschlussklagen (Anfechtung, Nichtigkeit, Ersetzung) ist Beklagte ausschließlich die GdWE (§ 44 WEG). Klagen gegen „die übrigen Eigentümer“ wahren die Anfechtungsfrist nicht.
- Vertretung und Zustellung: Die GdWE wird durch den Verwalter vertreten (§ 9b WEG). Gibt es keinen Verwalter, wird die GdWE gemeinschaftlich durch die Wohnungseigentümer vertreten. Zustellungen deshalb an die GdWE, z. H. des Vertreters nach § 9b WEG. Eine gesetzliche „Zustellungsvertreter-Rolle“ des Verwalters wie früher § 45 WEG a. F. existiert nicht mehr.
- Fristen: Anfechtung binnen 1 Monat ab Beschlussfassung erheben und binnen 2 Monaten begründen (§ 45 WEG n. F.). Fristen laufen streng; ein späterer Parteiwechsel von „Eigentümer“ auf „GdWE“ rettet die Frist grundsätzlich nicht.
- Heilung heute: § 189 ZPO bleibt anwendbar. Maßgeblich ist nun der tatsächliche Zugang der Klage (oder inhaltsgleicher Abschrift) bei der GdWE bzw. deren Vertreter, nicht mehr bei allen einzelnen Eigentümern.
- „Kommissarische“ Weiterverwaltung: Der bloße Hinweis des ausscheidenden Verwalters, bis zur Neuwahl „weiterzumachen“, begründet keine Zustellungsbefugnis. Erforderlich ist die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter der GdWE nach geltendem Recht.
Praxisleitfaden für Verwalter, Beiräte und Kläger
- Kläger: Beklagte im Rubrum stets „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Adresse der Liegenschaft)“ angeben; Zustellung „zu Händen des Verwalters“ (oder der gesetzlichen Vertretung nach § 9b WEG, falls verwalterlos).
- Fristen sichern: Klage innerhalb eines Monats einreichen; Begründung innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung. Bei Unklarheiten zur Vertretung parallel den Zugang bei Verwalter und – falls verwalterlos – bei den im Protokoll benannten Vertretungsadressaten sicherstellen.
- Verwalterwechsel: Wechsel unverzüglich allen Beteiligten und den Gerichten anzeigen; Eingänge an die GdWE lückenlos dokumentieren.
- Beiräte: In verwalterlosen Phasen kurzfristig Beschlüsse zur Prozessvertretung herbeiführen; eingehende Klageschriften sofort an alle Eigentümer kommunizieren und den tatsächlichen Zugang dokumentieren.
- Rechtsabteilung/Anwälte: Keine Zustellung an Ex-Verwalter adressieren; bei bereits fehlerhafter Zustellung umgehend Heilung durch tatsächliche Kenntnisnahme der GdWE herbeiführen und gegenüber dem Gericht darlegen.
FAQ
- Kann ich noch „an den Verwalter zustellen“? Ja, aber als Vertreter der GdWE nach § 9b WEG. Nicht, weil er „Zustellungsvertreter der Eigentümer“ ist.
- Hilft eine spätere Rubrumsberichtigung? Nur, wenn es sich um eine klar erkennbare Berichtigung vor wirksamer Zustellung handelt. Ein Parteiwechsel nach Fristablauf rettet die Frist im Regelfall nicht.
- Heilt eine E-Mail-Weiterleitung? Heilung setzt tatsächlichen Zugang eines inhaltsgleichen Dokuments bei der GdWE/Vertretung voraus. E-Mail oder Fax können genügen, wenn Identität des Inhalts belegbar ist.
- Gilt das alles auch für Altverfahren? Für Verfahren, die vor dem 01.12.2020 rechtshängig wurden, greifen Übergangsregeln. Seitdem neu erhobene Klagen richten sich zwingend gegen die GdWE.
Konsequenzen für die Verwaltungspraxis
- Formalia standardisieren: In Protokollen stets Verwalterdaten, Vertretungslage nach § 9b WEG und ggf. verwalterlose Vertretungsadresse aufnehmen.
- Posteingang organisieren: Sicherstellen, dass gerichtliche Schriftstücke die GdWE tatsächlich erreichen; Eingangsbestätigungen archivieren.
- Kommunikation: Bei laufenden Prozessen Verwalterwechsel dem Gericht sofort anzeigen, um Zustellungsfehler und Fristverluste zu vermeiden.
Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner


