Heizungsgesetz aktuell – Was Wohnungseigentümergemeinschaften jetzt konkret planen sollten
Heizungsgesetz aktuell – 65-Prozent-Vorgabe, Wärmeplanung, Technikpfade und Beschlussstrategie für WEGs. Verständlich erklärt mit Praxisfahrplan, Risiken und FAQ.
Das Wichtigste in Kürze
- 65-Prozent-Vorgabe: Ab Juni 2026 gilt in Städten >100.000 Einwohnern, ab 2028 in kleineren Kommunen: neue Heizungen müssen zu mind. 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden (auf Basis der kommunalen Wärmeplanung).
- Politik im Streit: Es wird über Änderungen diskutiert; bis zu einem neuen Beschluss gelten die aktuellen Regeln fort. Für WEGs ist Planungssicherheit durch eigene Beschlüsse, saubere Wirtschaftlichkeitsrechnung und belastbare Zeitpläne entscheidend.
- Technikpfade: Wärmepumpe, Fernwärme, Hybridlösungen, Pelletheizung, Solarthermie – Wasserstoff/Biomethan derzeit nur in Ausnahmefällen praxistauglich.
- WEG-Praxis: Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum werden durch Beschluss getragen; Kostenverteilung und Umsetzung sind sauber zu regeln. Verwalter organisiert und setzt um – Entscheider ist die WEG.
Regelrahmen: Heizungsgesetz aktuell und Wärmeplanung
Die kommunale Wärmeplanung bildet den Rahmen für künftige Heizsysteme in Quartieren und Fernwärmegebieten. In Großstädten greift die 65-Prozent-Vorgabe ab 06/2026, in kleineren Kommunen ab 2028. Eigentümer sollten den Umstieg strategisch entlang der Wärmeplanung vorbereiten, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Rechtliche Grundlage ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG); für die WEG-internen Beschlüsse gilt das Wohnungseigentumsgesetz (WEG).
Was bedeutet das für WEGs konkret?
- Bestandsschutz: Defekte Altanlagen dürfen repariert werden; beim Heizungsersatz sind die neuen Anforderungen maßgeblich.
- WEG ist Trägerin: Maßnahmen an Kessel, Übergabestationen, Verteilnetzen, Aufstellräumen und Schornsteinzügen betreffen regelmäßig das Gemeinschaftseigentum – die Gemeinschaft beschließt Art, Umfang, Finanzierung und Fristen.
- Verwalterrolle: Der Verwalter ist Organ der WEG, kein eigenständiger Entscheidungsträger. Er bereitet vor (Angebote, Gutachten, Fördercheck), setzt Beschlüsse um und kontrolliert beauftragte Fachunternehmen.
- Vermietete Einheiten: Auswirkungen auf Mieter sind mitzudenken (Betriebskosten, Modernisierungsumlage nach BGB), ohne dass dies die WEG-Beschlusskompetenz am Gemeinschaftseigentum beschneidet.
Technikpfade im Überblick (Eignung für Mehrfamilienhäuser)
- Elektrische Wärmepumpe (Sole/Wasser, Wasser/Wasser, Luft/Wasser): Sehr gut kombinierbar mit niedrigen Vorlauftemperaturen, Dämm-/Hydraulik-Optimierung und PV-Strom aus dem Objekt. Erfordert Heizlastberechnung, ggf. Anpassung von Übergabestationen/Verteilung.
- Fernwärme: Sinnvoll in ausgewiesenen Gebieten; vertragliche Bindung, Preisformeln und Dekarbonisierungsfahrpläne genau prüfen. Gute Option, wenn die Wärmeplanung ein Wärmenetz vorsieht.
- Hybridlösungen (z. B. Wärmepumpe + Gas/Öl für Spitzenlast): Übergangstechnologie, 65 %-Nachweis über Betriebsstrategie möglich; perspektivisch fossilen Anteil reduzieren.
- Pelletheizung: Erneuerbar, aber Lagerraum, Logistik, Feinstaub- und Preisrisiken beachten.
- Solarthermie: Als Systembaustein zur Senkung des fossilen Anteils (WW-Bereitung/Heizungsunterstützung); selten alleinige Lösung.
- H₂/Biomethan: Technisch diskutiert, aktuell Netz-/Kosten-/Verfügbarkeitsunsicherheiten; nur mit belastbaren Nachweisen und Beratung beschlussfähig.
Wirtschaftlichkeit & Förderung
- Lebenszyklus statt Anschaffungspreis: Capex, Opex (Strom/Gas/Fernwärme), Wartung, Schornsteinfeger, Rücklagenbedarf, CO₂-Preis und Systemwirkungsgrade berücksichtigen.
- Förderkulisse: Programme ändern sich. Deshalb erst Fördercheck (Antragsreife), dann Beschlussfassung/Beauftragung. Fristen und Kumulierbarkeit klären.
- Contracting: Alternativmodell zur Reduktion des Anfangsinvests; langfristige Preisgleitklauseln, Restwertrisiken und Exit-Regelungen genau prüfen.
Beschluss- und Rechtsrahmen in der WEG
- Bauliche Maßnahmen: Grundsatz- und Ausführungsbeschlüsse nach § 20 WEG (bauliche Veränderungen durch Beschlussfassung).
- Ordnungsmäßige Verwaltung: Wirtschaftlichkeits-/Finanzierungsbeschluss, Vergabe, Gewährleistungs-/Abnahme-Regelungen (§ 21 WEG).
- Kostenverteilung: Verteilungsschlüssel per Beschluss zulässig (§ 16 Abs. 2 WEG), z. B. MEA-basiert, Nutzeranteile, Sonderfälle (z. B. Strangsanierung).
- Sondereigentum: Eingriffe in Wohnungsstationen/Steigleitungen sind häufig gemeinschaftsrelevant; Schnittstellen klar definieren.
Praxisfahrplan für WEGs – in 10 Schritten
- Wärmeplanung prüfen (Stadt/Netzgebiet): Perspektive Fernwärme vs. dezentrale Lösung.
- Gebäudediagnose: Heizlast, Vorlauftemperaturen, Hydraulik, Dämmstandard, Abrechnungseinheiten, Technikräume, Schornstein/Abgasführung.
- Szenarienbildung: 2–3 Optionen mit CAPEX/OPEX, CO₂-Bilanz und Zeitachse.
- Fördercheck: Voraussetzungen, Fristen, Kombinierbarkeit, Antragsverantwortung.
- Beschlusspaket: Grundsatz, Finanzierung, Vergabe, Bauüberwachung, Abnahme, Gewährleistung, Betriebs-/Wartungsverträge, Versicherung.
- Technikplanung: Fachplanung TGA, Schallschutz, Statik, Brandschutz, Netzverträglichkeit, Zähler-/Messkonzept.
- Vergabe: Losweise/Generalunternehmer; klare Leistungsbilder, Fixtermine, Vertragsstrafen, Dokumentationspflichten.
- Umsetzung: Bauzeitenplan, Kommunikation (Treppenhaus, Portal, E-Mail), Notbetrieb/Heizfenster.
- Abnahme & Inbetriebnahme: Prüfprotokolle, Einweisung, Übergabe Wartungsplan, Gewährleistungskalender.
- Optimierung: Hydraulischer Abgleich, Monitoring, Regelstrategie anpassen (Sommer/Winter), Energiecontrolling.
Besonderheiten: Fernwärmegebiete & Quartierslösungen
Liegt das Objekt im zukünftigen oder bestehenden Fernwärmegebiet, ist ein Anschluss häufig der wirtschaftlichste Pfad. Vertragsbedingungen (Preisformeln, Primärenergie-Faktor, Dekarbonisierung) sind vor Beschluss zu prüfen. Bei Mehrhausanlagen lohnt die Bündelung (gemeinsame Übergabestation, Lastmanagement), sofern baulich möglich.
FAQ – Heizungsgesetz aktuell
Müssen wir 2026 sofort umrüsten?
Nein. Bestandsanlagen laufen weiter. Bei Ersatz/Neuanlage gelten die 65 %-Vorgaben, orientiert an der kommunalen Wärmeplanung.
Darf die WEG eine „Übergangslösung“ beschließen?
Ja, wenn sie rechtlich zulässig ist (z. B. Hybrid) und die 65 %-Anforderung über die Betriebsstrategie erfüllbar ist. Beratung/Gutachten beifügen.
Wer entscheidet in der WEG?
Die Eigentümer per Beschluss. Der Verwalter bereitet vor und setzt um, ist aber nicht der Entscheider.
Wie verteilen wir die Kosten?
Per Beschluss nach § 16 Abs. 2 WEG. Transparent und sachgerecht (z. B. nach MEA, Nutzung, Strängen).
Kann eine Minderheit blockieren?
Bei ordnungsmäßiger Verwaltung und tragfähiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ist eine mehrheitsfähige Umsetzung regelmäßig möglich. Gute Dokumentation erhöht Rechtssicherheit.
Risiken & Absicherung
- Preis- und Lieferkettenrisiken: Festpreise, Pönalen, Ausführungsfristen, Sicherheitseinbehalte vereinbaren.
- Technikrisiken: Performance-Garantie, Monitoring, Gewährleistungsplan, Ersatzteilkonzept.
- Haftung: Klare Schnittstellen (Gemeinschaft/Sondereigentum), Versicherungen (Bau, Betrieb, Ertragsausfall) schließen.
Fazit
Heizungsgesetz aktuell heißt für WEGs: nicht abwarten, sondern strukturiert vorbereiten. Wärmeplanung beobachten, Optionen rechnen, Förderfenster nutzen und belastbare Beschlüsse fassen. Wer jetzt mit Diagnose, Szenarien und Vergabestrategie beginnt, sichert Termine, Preise und Betriebssicherheit – und vermeidet hektische Ad-hoc-Entscheidungen kurz vor Fristbeginn.
Autor: Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH • Veröffentlicht am: 19.11.2025 • „Heizungsgesetz aktuell“




