Herbstlaub Verkehrssicherungspflicht: Wer räumt, wer haftet, wer kontrolliert?

Hinweis für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG): Nicht der Verwalter „sieht nach dem Rechten“, sondern die Gemeinschaft ist Trägerin der Verkehrssicherungspflicht. Der Verwalter handelt als Vertretungsorgan und setzt Mehrheitsbeschlüsse um. Verantwortlichkeiten müssen per Beschluss eindeutig geregelt und überwacht werden.


Warum Herbstlaub juristisch relevant ist

Nasses oder feuchtes Laub macht Wege rutschig. Wer die Verkehrssicherungspflicht trägt, muss zumutbare Maßnahmen ergreifen, damit Verkehrsflächen gefahrlos benutzt werden können. Geschieht das nicht, drohen Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach allgemeinen Delikts- und Verkehrssicherungspflichten.


Grundprinzip: Wer ist wofür verantwortlich?

  • Gemeinden sind grundsätzlich zuständig für öffentliche Straßen und Gehwege; sie können die Räum- und Reinigungsleistung durch kommunale Satzung auf die Anlieger übertragen.
  • Eigentümer tragen die Pflicht für Grundstück, Zuwege und ggf. per Satzung auch für den angrenzenden Gehweg. Übliche Räumzeiten: werktags 7–20 Uhr, sonn- und feiertags 9–20 Uhr (örtliche Abweichungen möglich).
  • Mieter können die Räumpflicht wirksam per Mietvertrag übernehmen. Der Vermieter behält dann eine Überwachungs- und Kontrollpflicht.
  • WEG (GdWE) ist seit 01.12.2020 Trägerin der Pflichten am Gemeinschaftseigentum. Sie beschließt die Organisation (z. B. Beauftragung eines Dienstleisters) und haftet gegenüber Dritten für Pflichtverletzungen ihres Organs.
  • Verwalter ist nicht selbst verkehrssicherungspflichtig; er organisiert und überwacht auf Grundlage der Beschlüsse (z. B. stichprobenartige Kontrolle eines Dienstleisters) und vertritt die WEG.

Was Gerichte zu Laub, Haftung und Zumutbarkeit sagen

  • Außerhalb üblicher Dienstzeiten kann mehrfache Reinigung zumutbar sein, wenn saisonal massenhaft Laub anfällt (OLG Hamm, Urt. v. 09.12.2005, 9 U 170/04).
  • Starke Windböen am Unfalltag können die Pflicht begrenzen; einmalige Reinigung kurz zuvor kann ausreichend sein (LG Coburg, Urt. v. 22.08.2008, 14 O 742/07).
  • Räumfenster: Laubfreiheit darf nur zwischen 7 und 20 Uhr erwartet werden; frühmorgens trifft Fußgänger eine Mitverantwortung (LG Frankfurt/M., Urt. v. 01.10.2018, 2/23 O 368/98).
  • Regelmäßige Reinigung wenige Tage vor dem Unfall genügte im Einzelfall (LG Berlin, Urt. v. 11.10.2005, 13 O 192/03).
  • Urlaub: Pflichtige müssen eine Vertretung organisieren; der Urlaub muss aber nicht unterbrochen werden (OLG Schleswig, Urt. v. 28.02.2012, 11 U 137/11).
  • WEG & Mieter: Ist im Mietvertrag die Räumpflicht geregelt, verbleibt für Eigentümer/WEG die Kontrollpflicht. Fehlt eine Regelung, droht Gesamtschuldnerhaftung (OLG Frankfurt/M., Urt. v. 04.12.2001, 3 U 93/01).

WEG-Praxis seit der WEG-Reform 2020

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ist rechtsfähig und verkehrssicherungspflichtig am Gemeinschaftseigentum. Daraus folgt:

  • Beschlusslage: Die WEG beschließt Wer (Dienstleister, Hausmeister, Mieter), Wie oft (Intervall, saisonale Verdichtung), Was (Wege, Treppen, Eingänge, Tiefgaragenzufahrt) und Wie (Dokumentation, Kontrollen).
  • Verwalterauftrag: Der Verwalter setzt den Beschluss um, beauftragt Dienstleister, prüft Leistung stichprobenartig und dokumentiert Beanstandungen. Er wird nicht selbst verkehrssicherungspflichtig, haftet aber bei Organisationsverschulden gegenüber der GdWE.
  • Haftung: Ansprüche Geschädigter richten sich primär gegen die GdWE; Regresse sind gegen Pflichtige (Dienstleister, Mieter) möglich, wenn vertraglich hinterlegt.

Organisationsleitfaden für den Herbst (WEG, Vermieter, Einzeleigentümer)

  1. Satzung prüfen: Überträgt die Gemeinde die Gehwegreinigung? Welche Zeiten gelten lokal?
  2. Zuständigkeiten beschließen/vereinbaren: Wer räumt was (Flächenplan) und wann (Zeitfenster, Intensivphasen bei Sturm/Falllaub)?
  3. Dienstleistervertrag mit klaren Leistungsbildern (Intervall, Sonderabruf bei Starklaub, Dokumentation, Erreichbarkeit).
  4. Kontrolle: Stichproben durch Verwalter/Beirat; Mängelrügen mit Frist, Eskalationsstufen, Vertragsstrafen/Einbehalt.
  5. Nachweisführung: Reinigungsprotokolle mit Datum/Uhrzeit/Wetterlage; Fotodokumentation von Hotspots (Zugänge, Treppen, TG-Abfahrt, Laubfang).
  6. Urlaubsvertretung und Schlechtwetterkonzept (zusätzliche Einsätze, Materiallager: Besen, Schaufeln, Laubsäcke, rutschfeste Matten).
  7. Kommunikation: Aushang im Haus (Räumzeiten, Eigenvorsorge bei Starklaub), Info ins Mieter-/Eigentümerportal.

Besonderheiten bei Tiefgaragen und Innenhöfen

  • Tiefgaragenzufahrt/Tore: Laubansammlungen reduzieren Traktion; regelmäßiges Kehren und Freihalten von Entwässerungsrinnen/Schächten einplanen. Warnschilder „Achtung Rutschgefahr bei Nässe“ sind ergänzend sinnvoll, ersetzen aber die Reinigung nicht.
  • Rückstauschutz: Laub verstopft Rinnen/Spindeln; Sichtkontrollen nach Starkregen.
  • Innenhöfe/Spielplätze: Sturzgefahr durch rutschige Beläge (Kautschuk, Holzdecks). Saisonale Zusatzreinigung definieren.

Laubbläser, Lärm und Entsorgung

  • Lärmschutz: Häufig zulässig nur 9–13 Uhr und 15–17 Uhr; Gemeinden können strengere Zeiten festlegen. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu 50.000 € geahndet werden (kommunale Satzungen beachten).
  • Entsorgung: Biotonne, kommunale Laubsäcke/Sammelstellen oder Eigenkompost. Verbrennen im Garten ist regelmäßig verboten (Ordnungswidrigkeit).

FAQ: Häufige Fragen

Reicht „einmal täglich kehren“?
Nein. Bei starkem Laubfall kann eine mehrfache Reinigung pro Tag zumutbar sein (Saisonalität, Wetterlage, Frequenz der Fläche).

Haftet die WEG, wenn der Dienstleister versagt?
Gegenüber Dritten ja; intern kann die WEG Regress nehmen. Deshalb Leistungsbild, Kontrollen, Vertragsstrafen und Nachweise vertraglich fixieren.

Trifft Passanten eine Mitschuld?
Ja, insbesondere außerhalb der üblichen Räumzeiten oder bei erkennbar rutschigem Laub. Das entbindet Pflichtige jedoch nicht von zumutbaren Maßnahmen.

Ist der Verwalter verkehrssicherungspflichtig?
Nein. Er ist Vertretungs-/Erfüllungsorgan der WEG. Ohne Beschluss keine eigene Pflicht, mit Beschluss organisatorische Verantwortung (Beauftragung/Kontrolle) im Rahmen des Mandats.


Fazit

Herbstlaub Verkehrssicherungspflicht heißt: klare Zuständigkeiten, praxisnahe Organisation und dokumentierte Umsetzung. Die WEG beschließt, der Verwalter organisiert, Dienstleister (oder vertraglich verpflichtete Mieter) leisten – und alle handeln nach Wetterlage. So lassen sich Haftungsrisiken minimieren und Wege sicher halten, ohne den Verwalter fälschlich zur „Dauer-Ortskontrolle“ zu machen.


Autor: Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH • Veröffentlicht am: 17.11.2025 •  „Herbstlaub Verkehrssicherungspflicht“