Mieterstrom 2017–2025: Was sich geändert hat und was WEGs jetzt konkret nutzen können
Kurzüberblick 2017 – Das Mieterstrommodell wurde 2017 eingeführt: PV-Strom vom Dach wird ohne öffentliches Netz an Letztverbraucher im Gebäude geliefert, der Betreiber erhält einen Mieterstromzuschlag. Ziel: Mehr Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern, faire Preise für Bewohner und Eigentümer.
Die wichtigsten Änderungen seit 2017
– EEG-Umlage weggefallen (seit 07/2022): Die frühere EEG-Umlage auf Strombezug wurde auf null gesetzt. Das vereinfacht Kalkulationen und Vertragsgestaltung im Gebäude.
– EEG 2021/2023: Angehobene und neu strukturierte Mieterstromzuschläge sowie vereinfachte Bedingungen für Dach-PV erhöhen die Wirtschaftlichkeit. Rechtsgrundlagen und Definitionen finden sich u. a. in § 21 EEG und § 21b EEG (Zahlungen bei Mieterstrom).
– „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ (Solarpaket I, 2024/2025): Ergänzend zum klassischen Mieterstrom gibt es ein neues, praxisnahes Gebäudemodell im EnWG. Damit kann Strom aus der Haus-PV einfacher an mehrere Nutzungen im selben Gebäude verteilt werden, ohne vollständige Lieferantenrolle. Relevante Regelungen finden sich in den neuen EnWG-Normen zu gebäudebezogener Versorgung (u. a. EnWG). Für Quartierslösungen über das einzelne Gebäude hinaus gelten weiterhin strengere Anforderungen.
– Mess- und Zähleranforderungen: Mit dem Smart-Meter-Rollout lassen sich gebäudeseitige Liefermodelle besser bilanzieren. Für Mieterstrom bleiben eich- und energierechtliche Vorgaben (Messstellenbetrieb, Abrechnungstrennung) zu beachten.
Mieterstrom vs. Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
– Mieterstrom: EEG-Förderlogik mit Zuschlag, klare Betreiberrolle, Lieferung an Letztverbraucher im Haus, weiterhin Formatvorgaben an Messkonzept und Abrechnung.
– Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: Gebäudebezogenes Verteil-/Verrechnungsmodell im EnWG. Weniger Lieferantenpflichten, dafür strikte Begrenzung auf ein Gebäude. Kein EEG-Mieterstromzuschlag, aber reduzierte Komplexität kann die Gesamtrechnung verbessern.
Wirtschaftlichkeit 2025: WEG-Sicht
– Dach-PV bis ~100 kW pro Anlage bleibt der Standardfall im Mehrparteienhaus. Für größere Dächer oft Segmentierung in mehrere Anlagenteile mit sauberer elektrischer Trennung.
– Kostenhebel: Modulare Messkonzepte, Bündelung von Dienstleistungen (Planung, Errichtung, Betrieb, Messstellenbetrieb), Wartungs- und Versicherungspakete, klare Vertragslaufzeiten.
– Preise für Letztverbraucher: Ohne EEG-Umlage und mit günstiger Eigenproduktion können Endpreise stabilisiert werden. Netz-, Mess-, Abgaben- und Steuerbestandteile bleiben ein relevanter Block.
Rechtliche Eckpunkte und Zuständigkeiten
– EEG-Grundlagen: Einspeisevergütung und Mieterstromzuschlag (§ 21 EEG, § 21b EEG), Anlagenbegriffe, Mess-/Bilanzierungsregeln.
– EnWG-Gebäudemodell: Gemeinschaftliche Versorgung, Pflichtenverteilung, Anzeige-/Meldepflichten (aktueller EnWG-Stand, Gebäudekapitel; EnWG).
– MsbG/EEA: Messstellenbetriebsgesetz und energiewirtschaftliche Abrechnungsvorgaben für Smart-Meter-Infrastruktur.
Praxisleitfaden für WEG und Verwalter
1) Vorprüfung Dach & Lastprofil – Statik, Verschattung, Dachflächen, Hauslastgänge, vorhandene Unterverteilungen/TG-Strom, Wärmepumpen-/Aufzugs-Lasten.
2) Modellwahl – Mieterstrom (EEG-Zuschlag, volle Lieferantenrolle oder Dienstleistermodell) vs. Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (vereinfachte Gebäudelieferung, kein Zuschlag). Bei gemischten Nutzungseinheiten ggf. Hybridmodelle je Strang.
3) Messkonzept – Summenzähler am Hausanschluss, Erzeugungszähler je Anlagenteil, Untermessungen je Einheit. Kompatibilität mit Smart-Meter-Gateway klären.
4) Beschlussfassung – Maßnahme, Betreiber-/Dienstleistermodell, Laufzeiten, Preisformeln, Indexierung, Risiko-/Ersatzstromregel, Messstellenbetrieb, Versicherung, Dachnutzungsvertrag.
5) Umsetzung – VNB-Anmeldung, Netzverträglichkeitsprüfung, Bau, Inbetriebnahme, Marktstammdatenregister, Abrechnung starten.
6) Kommunikation – Klare Kundenvorteile (Preis, Transparenz, CO₂-Fußabdruck), Kündigungs- und Wechselrechte, jährliche Informationspakete.
Besonderheiten und Stolpersteine
– Gebäudebegrenzung: Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung endet am Gebäude. Für Quartiere gelten weiterhin komplexere Liefermodelle.
– Mischgebäude: Gewerbeeinheiten brauchen eigene Preis- und Vertragslogiken; Netzentgelte/Abgaben können abweichen.
– Mess-/Abrechnungspflichten: Genauigkeit, Eichfristen, Turnusrechnungen, Datenschutz. Frühzeitige Einbindung des Messstellenbetreibers.
– Haftung & Versicherung: Betreiberhaftung, Ertragsausfall, Dach-/Gebäudehaftung, Gewährleistung.
Strategie 2025 für kleine und große WEG
– Kleine WEG (<10 Einheiten): Oft am einfachsten mit gemeinschaftlicher Gebäudeversorgung starten, spätere Skalierung/Hybrid offenhalten.
– Mittlere/größere WEG: Wirtschaftlichkeitsvergleich Mieterstrom vs. Gebäudeversorgung je Hausanschluss; Kombination mit Wärmepumpe/Wallboxen und Lastmanagement planen.
– Finanzierung: Eigeninvest der WEG, Contracting oder Pachtmodell. Tilgungspläne und Rücklagen synchronisieren; Versicherung berücksichtigen.
Fazit
Seit 2017 ist Mieterstrom erwachsen geworden. Mit dem EEG-Update, dem Wegfall der EEG-Umlage und der neuen gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung im EnWG stehen WEGs zwei belastbare Wege offen: Zuschlagsmodell mit vollem Lieferrahmen oder vereinfachtes Gebäudemodell. Der wirtschaftliche Hebel liegt in sauberem Messkonzept, schlanken Verträgen und der Kombination mit Gebäudetechnik. Wer heute strukturiert entscheidet, senkt Stromkosten im Haus, stabilisiert Nebenkosten und steigert den Objektwert.
Ursprünglicher Artikel: Juli 2017
Aktualisiert am 28.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH




