Schimmelbefall nach Fenstererneuerung: Hinweispflicht des Vermieters – und was das für WEG’s bedeutet
Kernaussage: Werden in einer Wohnung neue, dichtschließende Fenster eingebaut, muss der Vermieter die geänderten bauphysikalischen Bedingungen berücksichtigen und den Mieter konkret zum erforderlichen Heiz- und Lüftungsverhalten anleiten. Ohne sachgerechten Hinweis kann ein späterer Schimmelbefall dem Mieter regelmäßig nicht angelastet werden. Für Wohnungseigentümergemeinschaften (GdWE) gilt: Der Fenstertausch ist regelmäßig Gemeinschaftssache – die mietrechtlichen Informations- und Dokumentationspflichten treffen jedoch den einzelnen Sondereigentümer als Vermieter.
Rechtsrahmen – Mietrecht und WEG verzahnt
- Mietrechtlicher Ausgangspunkt: Der Vermieter schuldet die mangelfreie Gebrauchsüberlassung (§ 535 BGB). Verändert eine Maßnahme des Vermieters (z. B. Fenstertausch) das Raumklima, muss er den Mieter präzise zu angepasstem Nutzerverhalten anleiten.
- WEG-Bezug: Fenster gehören in der Regel zum Gemeinschaftseigentum; Austausch/Modernisierung erfolgen durch Beschluss der GdWE und auf deren Kostenverteilung. Gleichwohl bleibt der Vermieter Ansprechpartner seines Mieters für Hinweise, Dokumentation und spätere Auseinandersetzungen.
- Folge: Die GdWE organisiert die technische Maßnahme, der Vermieter schuldet die mietrechtliche Kommunikation und Beweisvorsorge gegenüber seinem Mieter. Gute Praxis ist eine WEG-weit einheitliche Informationslinie (Merkblatt, Aushang, Portaldokumente), die jeder Vermieter seinen Mietern übergibt.
Aktuelle Rechtsprechung – differenzierte Hinweispflichten
- LG Hamburg, Urt. v. 28.02.2025 – 316 S 35/24: Nach Austausch zugiger Altfenster gegen moderne, dicht schließende Elemente ist der Vermieter verpflichtet, konkrete Hinweise (Häufigkeit, Dauer, Methode des Lüftens/Heizens) zu geben. Ohne solchen Hinweis kann dem Mieter Schimmelbildung grundsätzlich nicht angelastet werden.
- LG Landshut, Urt. v. 08.01.2025 – 15 S 339/23: Ein allgemeiner Hinweis auf „vermehrtes richtiges Lüften“ kann im Einzelfall genügen; erwartet wird zumindest zweimal tägliches Querlüften. Je nach Objektzustand sind jedoch konkretere Vorgaben angezeigt.
- LG Hanau, Beschl. v. 02.06.2023 – 2 S 106/22: Zog der Mieter erst nach erfolgtem Fenstertausch ein, besteht keine besondere Hinweis-Sonderpflicht; der Mieter hat sich am sozial Üblichen zu orientieren. Gleichwohl ist ein Merkblatt empfehlenswert.
Konsequenz: Je stärker die bauphysikalische Veränderung (z. B. energetische Sanierung, Fassadendämmung, Fenster), desto konkreter sollte der Vermieter instruieren – idealerweise objektbezogen.
Technischer Hintergrund – warum dichter oft „feuchter“ wird
- Geänderte Kältestellen: Dichte Fenster verlagern die kälteste Oberfläche vom Glas zur Außenwandecke/Laibung. Dort kondensiert Feuchte zuerst.
- Weniger Grundlüftung: Alte Fenster ließen unkontrolliert Luft einströmen; moderne Systeme verhindern diesen „Selbstaustausch“.
- Feuchtequellen: Personen, Kochen/Duschen, Wäsche, Pflanzen, Aquarien. Bereits eine vierköpfige Familie setzt mehrere Liter Wasser/Tag in die Luft frei.
Praxisleitfaden für Vermieter (Sondereigentümer) – Schritt für Schritt
- 1) Dokumentation: Fenstertausch/energetische Maßnahme mit Datum, beteiligten Firmen, Baubeschreibung festhalten. Fotos der betroffenen Räume (Wandecken, Laibungen) anfertigen.
- 2) Merkblatt an Mieter: Schriftliche, konkrete Anweisung übergeben und Empfang bestätigen lassen (Portal-Upload, E-Mail mit Lesebestätigung oder unterschriebener Erhalt). Inhalte siehe „Mietermuster“ unten.
- 3) Technische Flankierung: Hygrometer (40–60 % r. F.), ggf. Fensterfalzlüfter oder Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 prüfen lassen, Möbelabstände (≥ 5–10 cm) an Außenwänden einhalten, Heizflächen freihalten.
- 4) Reaktion bei Meldungen: Mängelanzeige dokumentieren, kurzfristige Feuchte-/Oberflächentemperatur-Checks, ggf. Gutachter beauftragen. Ursachenanalyse („Bauwerk vs. Nutzung“) sauber trennen.
- 5) Beweisvorsorge: Übergabeprotokoll mit Merkblatt, regelmäßige Erinnerungen (Herbst/Winter), Foto-/Messprotokolle archivieren.
Praxisleitfaden für GdWE und Verwaltung – organisierte Prävention
- WEG-Beschlusslinie: Einheitliches Lüftungs- und Heizmerkblatt bei Fenster-/Fassadenmaßnahmen beschließen; Verwalter wird beauftragt, es allen Eigentümern zur Weitergabe an Mieter bereitzustellen (Portal/Aushang).
- Baubegleitung: Bei energetischen Maßnahmen die DIN 1946-6 (Lüftungskonzept) prüfen und – falls erforderlich – lüftungstechnische Maßnahmen (z. B. Nachströmöffnungen) beschließen.
- Kommunikation: Saisonale Hinweise (Herbst/Winter) im Treppenhaus und im Eigentümer-/Mieterportal veröffentlichen; mehrsprachige Kurzfassung bereitstellen.
- Abgrenzung Haftung: Die GdWE haftet für ihr Handeln am Gemeinschaftseigentum; mietvertragliche Instruktion bleibt Aufgabe des jeweiligen Vermieters. Die Verwaltung führt Stichprobenkontrollen beauftragter Dienstleister, aber keine Mietererziehung durch.
Mietermuster – kompakte Hinweise nach Fenstertausch
- Lüften: 2–3× täglich Querlüften 5–10 Min., zusätzlich nach Duschen/Kochen, Wäschetrocknen und vor dem Schlafengehen. Kein Dauerkippen im Winter.
- Heizen: Wohnräume ca. 20–22 °C, Schlafzimmer nicht dauerhaft < 16–18 °C. Thermostat während des Lüftens auf Frostschutz.
- Feuchte im Blick: Hygrometer bereitstellen; Ziel 40–60 % r. F. Bei > 60 % Lüftung intensivieren.
- Möbelabstände: 5–10 cm Abstand zur Außenwand, Heizkörper/ Thermostat frei halten, keine bodenlangen Vorhänge vor Heizflächen.
- Sofort melden: Dunkle Flecken, modriger Geruch, nasse Laibungen bitte umgehend schriftlich anzeigen (Foto beifügen).
Beweis- und Haftungsfragen – wer trägt was?
- Mangel: Der Mieter zeigt Schimmel/Feuchte an. Der Vermieter prüft und beseitigt die Ursache.
- Nutzerverhalten vs. Bauzustand: Liegt die Ursache im Bau (Wärmebrücken/Fehlstellen), ist der Vermieter zur Instandsetzung verpflichtet. Liegt sie überwiegend in der Nutzung, kann den Mieter ein Mitverschulden treffen – es sei denn, der Vermieter hat nach Fenstertausch nicht hinreichend instruiert (strenge Linie LG Hamburg).
- Hinweispflicht als „Game Changer“: Präzise, nachweisbare Instruktion reduziert Streit und erhöht die Chance, nutzerbedingte Schäden nicht selbst tragen zu müssen.
- WEG-Schnittstelle: Zeigt sich Schimmel an typischen Wärmebrücken des Gemeinschaftseigentums (z. B. Laibung, Balkonanschluss), muss die GdWE technische Ursachen prüfen/beseitigen. Der Vermieter bleibt für Mietminderung/Kommunikation zuständig und kann Kosten bei der GdWE regressieren, wenn die Ursache im Gemeinschaftseigentum liegt.
Beschlussvorschlag (Kurzform) für die GdWE
„Die GdWE beschließt, nach Fenstertausch/energetischen Maßnahmen ein objektbezogenes Lüftungs- und Heizmerkblatt bereitzustellen. Der Verwalter wird beauftragt, das Merkblatt im Portal zu veröffentlichen, auszuhängen und allen Eigentümern zur Weitergabe an ihre Mieter zu übermitteln. Bei künftigen Maßnahmen ist die Erforderlichkeit eines Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 zu prüfen und ggf. umzusetzen.“
FAQ – häufige Fragen aus Vermietung und WEG
- Reicht ein allgemeiner Hinweis? Je nach Gericht nein (LG Hamburg fordert Konkretion). Sicherer ist ein objektbezogenes Merkblatt mit Zahlen (Dauer/Häufigkeit).
- Mieter mindert wegen Schimmel – was tun? Mängelanzeige prüfen, kurzfristig besichtigen, Messwerte/ Fotos sichern, Ursachenanalyse veranlassen und Mängelbeseitigung einleiten. Parallel: Hinweis auf einzuhaltendes Lüftungs-/Heizverhalten erneuern.
- Wer trägt die Sanierungskosten? Bauwerksursachen: Vermieter bzw. bei Gemeinschaftsursachen die GdWE. Nutzerursachen: Mieter – aber nur bei vorheriger, nachweisbarer Instruktion.
- Möbel an Außenwänden verboten? Nein, aber mit Abstand. Ein vertragliches generelles Verbot ist heikel; klare Empfehlungen sind der bessere Weg.
- Muss die Verwaltung Mieter belehren? Nein. Die Verwaltung informiert die Eigentümer; mietrechtliche Hinweise erteilt der jeweilige Vermieter.
Checkliste – sofort umsetzbar
- WEG-Beschluss zu Merkblatt/DIN 1946-6/Lüftungskonzept fassen.
- Objektbezogenes Merkblatt erstellen (DE/EN; Piktogramme), Portal-Upload und Aushang.
- Vermieter: Übergabe an Mieter mit Empfangsbestätigung; Hygrometer empfehlen/beilegen.
- Standard-Prozess bei Schimmelmeldungen definieren (Reaktionszeiten, Gutachter, Dokumentation).
- Jährliche Erinnerung (Herbst) automatisiert versenden.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall. Für die Auslegung des Einzelfalls sind Mietvertrag, Beschlusslage der GdWE und objektbezogene Bauverhältnisse maßgeblich.




