Schriftliches Beschlussverfahren (Oktober 2017): Ergebnisverkündung, Schweigen und was seit dem WEMoG gilt


Kernaussage

Im schriftlichen Beschlussverfahren entsteht ein wirksamer Beschluss erst, wenn das Ergebnis förmlich mitgeteilt wurde. Schweigen ersetzt weder Zustimmung noch eine ordnungsgemäße Ergebnisverkündung. Seit dem 01.12.2020 gilt § 23 Abs. 3 WEG n. F.: Umlaufbeschlüsse erfordern Textform und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer; die Gemeinschaft kann die Form der Stimmabgabe (z. B. E-Mail, Portal) erleichtern, nicht aber die Einstimmigkeit. Die Anfechtungsfrist beginnt bei Umlaufbeschlüssen mit der Bekanntgabe des Zustandekommens an alle Eigentümer. Ein „Schweige-Beschluss“ ist rechtlich wertlos.


Ausgangsfall (Oktober 2017) kurz rekonstruiert

Altbau mit Holzbalkendecken. Austausch des Bodenbelags im DG, Streit über Trittschall. Der Verwalter leitete ein Beschlussverfahren im Umlauf ein. Zunächst fehlte eine Ja-Stimme innerhalb der Frist. Später zog der betreffende Eigentümer sein „Nein“ zurück und stimmte zu. Der Verwalter schrieb: „Ich werte den Antrag als angenommen, sofern niemand innerhalb X Tagen widerspricht.“ Widersprüche kamen nicht. Eine klare Ergebnismitteilung erfolgte aber ebenfalls nicht mehr. Streitpunkt: Reicht dieses Vorgehen aus, um einen wirksamen Umlaufbeschluss zu erzeugen?


Rechtslage vor 2020: Umlaufbeschluss nur mit formaler Ergebnismitteilung

  • Form: Schriftform a. F.; alle Eigentümer mussten zustimmen.
  • Ergebnisverkündung: Auch im Beschlussverfahren per Umlauf verlangt die Rechtsprechung eine förmliche Mitteilung, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt ist. Bedingte oder konjunktivische Formulierungen genügen nicht.
  • Fristen: Anfechtung binnen eines Monats ab Mitteilung des Zustandekommens an alle Eigentümer.
  • Schweigen: Keinerlei Zustimmung durch Schweigen. Schweigen kann nur dann Bedeutung erlangen, wenn die Gemeinschaftsordnung eine ausdrückliche abweichende Regelung vorsieht, was selten zulässig und noch seltener wirksam ist.

Seit 01.12.2020: WEMoG-Regime für Umlaufbeschlüsse

  • § 23 Abs. 3 WEG n. F.: Beschlüsse im Umlaufverfahren sind möglich, wenn alle Eigentümer in Textform zustimmen. Die Gemeinschaft kann per Mehrheitsbeschluss die Form der Stimmabgabe (z. B. E-Mail, App, Portal) zulassen. Die Einstimmigkeit bleibt Pflicht.
  • Bekanntgabe bleibt zwingend: Auch heute braucht es im Beschlussverfahren eine eindeutige Ergebnismitteilung an alle Eigentümer. Erst diese Bekanntgabe setzt Fristen in Lauf und schafft Rechtssicherheit.
  • Digitale Tools: Erleichtern die Stimmabgabe, ersetzen aber nicht die Einstimmigkeit. Eine „Mehrheit per Umlauf“ ist ohne abweichende Vereinbarung der Eigentümer (nicht bloßer Beschluss) unzulässig.
  • Schutz vor Missbrauch: Verwalter dürfen das Beschlussverfahren nicht durch bedingte Mitteilungen strecken. Das Ergebnis ist klar zu festzustellen und mitzuteilen.

Was gilt zur Ergebnisverkündung im Umlauf – „Schweigen“ als Problem

  • Keine „Schweige-Verkündung“: Weder das Ausbleiben eines Widerspruchs noch „konkludentes Verhalten“ ersetzt die positive Mitteilung, dass der Beschluss zustande gekommen ist.
  • Bedingung unzulässig: Ergebnisverkündungen „unter der Bedingung, dass niemand widerspricht“ sind kein Ersatz für die endgültige Mitteilung. Erst die endgültige Nachricht („beschlossen / abgelehnt“) zählt.
  • Fristbeginn: Anfechtungsfrist läuft ab Zugang der ordnungsgemäßen Ergebnismitteilung bei allen Eigentümern.
  • Form der Mitteilung: Textform genügt. Inhalt: Beschlusswortlaut, Abstimmungsquote, Datum des Zustandekommens, Rechtsbehelfshinweis.

Best Practice: Ablauf eines rechtssicheren Umlaufs

  1. Start des Beschlussverfahrens mit klar formuliertem Antrag, Frist, Hinweis auf Einstimmigkeit und zulässige Antwortkanäle (E-Mail, Portal, Brief).
  2. Erfassung aller Rückläufe, Adress- und Eigentümerstand prüfen (Verkäufe/Erbfälle beachten).
  3. Abschluss nach Fristablauf: Prüfen, ob alle zugestimmt haben; andernfalls „nicht zustande gekommen“ dokumentieren.
  4. Ergebnismitteilung in Textform an alle Eigentümer mit Beschlusswortlaut, Stimmenliste (Ja/Nein/keine Abgabe), Datum, Rechtsbehelf. Erst dann ist das Beschlussverfahren beendet.
  5. Archiv: Beweise sichern (E-Mail-Header, Portal-Logs, Scanner der Unterschriften). Das schützt die Durchführung und Anfechtungsprozesse.

Mustertexte

Einleitung Umlaufbeschluss

„Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer … leitet ein Umlauf-Beschlussverfahren nach § 23 Abs. 3 WEG ein. Bitte stimmen Sie bis zum … in Textform (E-Mail, Portal, Brief) dem beigefügten Beschlussantrag zu oder lehnen ihn ab. Ein Beschluss kommt nur zustande, wenn alle Eigentümer zustimmen.“

Ergebnismitteilung

„Das Umlauf-Beschlussverfahren zum Antrag ‚…‘ ist am … zustande gekommen. Alle Eigentümer haben in Textform zugestimmt. Der Beschlusswortlaut lautet: ‚…‘. Die einmonatige Frist zur Erhebung der Beschlussklage beginnt mit Zugang dieser Mitteilung.“


Häufige Fehler und wie man sie vermeidet

  • Bedingte „Verkündung“: Unzulässig. Immer endgültig mitteilen.
  • Fehlende Einstimmigkeit: Das Beschlussverfahren bricht ab. Kein „Mehrheits-Umlauf“.
  • Falscher Eigentümerbestand: Immer aktuelles Grundbuch/Verwalterliste abgleichen.
  • Schweigen als Zustimmung werten: Unwirksam.
  • Keine Dokumente: Beweise (E-Mails, Portallogs) revisionssicher ablegen.

Einordnung zu Trittschall im Altbau

Im Ausgangsfall spielte Trittschall eine Rolle. Unabhängig vom Beschlussverfahren gilt: Der rechtliche Maßstab basiert auf DIN 4109 und dem bei Errichtung geschuldeten Niveau, es sei denn, Vereinbarungen oder spätere Eingriffe (z. B. Bodenbelagwechsel ohne ausreichende Dämmung) ändern das Gefüge. Streitfragen über Schallschutz werden inhaltlich getrennt vom Formrecht des Umlaufs entschieden. Formfehler im Umlauf „killen“ den Beschluss, egal wie gut die Sachlage ist.


Besonderheiten seit WEMoG

  • Textform statt Schriftform: Zustimmungen können per E-Mail oder Portal erfolgen. Das erleichtert das Beschlussverfahren, ändert aber nicht die Einstimmigkeit.
  • Elektronische Kanäle per Beschluss zulassen: Die Gemeinschaft kann beschließen, dass Stimmabgaben auch elektronisch möglich sind. Empfehlenswert: Verfahrensordnung „Umlauf“ beschließen.
  • Hybride Alternativen: Live-Versammlung bleibt Regelfall. Für eilbedürftige Punkte kann die Gemeinschaft Vorentscheidungen vorbereiten und ein schlankes Beschlussverfahren danach fahren.

FAQ

  • Kann Schweigen als Zustimmung gelten?
    Nein. Im Beschlussverfahren ist aktive Zustimmung in Textform nötig.
  • Wann beginnt die Anfechtungsfrist?
    Mit Zugang der klaren Ergebnismitteilung bei allen Eigentümern.
  • Genügt E-Mail-„Ja“?
    Ja, Textform reicht. Beweis sichern.
  • Darf man „Mehrheit per Umlauf“?
    Nur, wenn die Eigentümer vereinbart haben, von § 23 Abs. 3 abzuweichen. Ein einfacher Beschluss reicht nicht.
  • Wer darf die Ergebnismitteilung verfassen?
    Regelmäßig der Verwalter. Bei verwalterloser Gemeinschaft der Vorsitzende des Beirats oder ein Bevollmächtigter.

Checkliste für Verwalter

  • Vorbereitung: Antragstext, Frist, Eigentümerliste, Kommunikationskanäle, Datenschutz.
  • Durchführung: Versand protokollieren, Rückläufe tracken, Nachforderung vor Fristende.
  • Abschluss: Ergebnis feststellen, endgültig mitteilen, Rechtsbehelfshinweis aufnehmen.
  • Archiv: Vollständige Akte zum Beschlussverfahren ablegen.

Vorlagenbausteine

Rechtsbehelfshinweis

„Gegen diesen im Umlauf-Beschlussverfahren gefassten Beschluss kann binnen eines Monats ab Zugang dieser Mitteilung Beschlussklage beim zuständigen Amtsgericht erhoben werden.“

Formklausel für künftige Umläufe

„Die Gemeinschaft beschließt, dass Stimmabgaben in Umlauf-Beschlussverfahren in Textform auch per E-Mail oder über das Gemeinschaftsportal zulässig sind. Die Einstimmigkeit bleibt unberührt.“


Warum Klarheit bei der Ergebnismitteilung unverzichtbar ist

Die Mitteilung beendet das Beschlussverfahren, setzt Fristen in Gang, schafft Vollziehbarkeit und minimiert Haftungsrisiken. Fehlt sie oder ist sie unklar, drohen:

  • Unwirksamkeit des Beschlusses,
  • Fristchaos in der Anfechtung,
  • Durchführungs-Stillstand beim Verwalter,
  • Kosten durch Prozesse und Wiederholungsverfahren.

Praxisbeispiele

  • Sonderumlage im Umlauf: Alle stimmen per E-Mail zu. Verwalter teilt Ergebnis am 02.05. klar mit. Anfechtung bis 02.06. möglich. Vollzug ab 03.05. zulässig, sofern keine Aussetzung droht.
  • Fensterprogramm: Eine Stimme fehlt. Ergebnis: „nicht zustande gekommen“. Maßnahme wird auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung gesetzt. So bleibt der Prozess sauber.
  • Dringende Havarie: Kein Umlauf sinnvoll. Sofortmaßnahme per Notgeschäftsführung; anschließendes Beschlussverfahren zur Genehmigung.

Zusammenfassung

Das schriftliche Beschlussverfahren ist ein präzises Instrument, kein „stilles“ Verfahren. Es braucht Textform-Zustimmung aller und eine klare, endgültige Ergebnismitteilung. Schweigen ersetzt nichts. Seit WEMoG sind digitale Stimmabgaben leichter, die Einstimmigkeit bleibt. Wer saubere Abläufe, eindeutige Kommunikation und lückenlose Dokumentation verankert, minimiert Anfechtungen und beschleunigt die Umsetzung – ob es um Trittschall, Sanierungen oder Gebühren geht.


Stand: aktualisiert 2025 • Dieser Beitrag bezieht sich auf das schriftliche Beschlussverfahren nach WEG a. F. und n. F.