BGH: Sondereigentümer muss Sanierung der Dachterrasse zahlen

Ursprünglicher Artikel: 03/2019 • Aktualisiert für 2025


Kernaussage

Tragende und abdichtende Bauteile einer Dachterrasse gehören rechtlich zum Gemeinschaftseigentum. Abweichende Regelungen in Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung können jedoch wirksam anordnen, dass der betroffene Sondereigentümer auch die Sanierungskosten für diese gemeinschaftlichen Teile allein trägt, wenn ihm die Terrasse zum ausschließlichen Gebrauch zugeordnet ist und die Vereinbarung klar und eindeutig gefasst ist. An dieser Linie hat sich durch das WEMoG (seit 01.12.2020) nichts Grundlegendes geändert: Vereinbarungen gehen vor; andernfalls ist die Gemeinschaft für Erhalt und Kosten zuständig, die Kostenverteilung erfolgt nach § 16 WEG.


Der Fall

  • Schäden an der Dachterrasse einer DG-Wohnung.
  • Beschluss: Sanierung wird durchgeführt, Kosten zulasten des Sondereigentümers.
  • Einwand des Eigentümers: Die Terrasse sei auch Dach der darunterliegenden Einheit und diene daher nicht ausschließlich seinem Gebrauch.
  • Teilungserklärung: „Einrichtungen/Anlagen/Gebäudeteile, die zum ausschließlichen Gebrauch eines Wohnungseigentümers bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia), sind von ihm auf seine Kosten instand zu halten und zu setzen.”

Die Entscheidung

Die Anfechtung blieb erfolglos. Maßgeblich war die Vereinbarung in der Teilungserklärung: Sie ordnete die vollständige Kostentragung dem begünstigten Sondereigentümer zu, auch für in Gemeinschaftseigentum stehende konstruktive/abdichtende Teile der Terrasse. Eine einschränkende Auslegung nur auf „nichtkonstruktive“ Teile ließ der Wortlaut nicht zu. Ergebnis: Die Gemeinschaft darf sanieren lassen, die Kosten werden dem betreffenden Sondereigentümer auferlegt (BGH, Urt. v. 04.05.2018 – V ZR 163/17).


Rechtslage seit dem WEMoG (seit 01.12.2020)

  • Grundprinzip: Die Gemeinschaft sorgt für Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums; Kosten nach § 16 WEG, Verwaltung nach § 19 WEG.
  • Vereinbarungen gehen vor: Abweichende Regelungen in TE/GO zur Kostentragung und sogar zur Erhaltungsverantwortung sind weiterhin zulässig, müssen aber klar und eindeutig sein (§ 10 WEG).
  • Beschlusskompetenz zu Kostenarten: Ohne Vereinbarung kann die Gemeinschaft für einzelne Kostenarten (z. B. Terrassenunterhalt) per Mehrheitsbeschluss einen abweichenden Verteilungsschlüssel festlegen (§ 16 Abs. 2 S. 2–3 WEG). Eine Alleinbelastung des Sondereigentümers für gemeinschaftliche Teile erfordert aber nach wie vor eine Vereinbarung, nicht bloß einen Beschluss.
  • Sondernutzungsrechte: Allein die Zuweisung einer Terrasse zum ausschließlichen Gebrauch (Sondernutzungsrecht) genügt nicht automatisch für die Alleinkostentragung. Es braucht eine ausdrückliche Kostentragungsklausel.

Prüfschema für die Praxis

  1. Bauteilzuordnung klären: Belag, Platten, Geländer, Estrich, Abdichtung, Dachaufbau – was ist Sonder-, was Gemeinschaftseigentum?
  2. TE/GO prüfen: Gibt es eine klare Klausel zur Instandhaltung/Instandsetzung und Kostentragung bei Balkonen/Loggien/Dachterrassen?
  3. Rechtsfolge ableiten:
    • Mit klarer Vereinbarung: Kostentragung nach Vereinbarung (oft Alleinlast des begünstigten Sondereigentümers, auch für Abdichtung/Dach).
    • Ohne klare Vereinbarung: Erhaltung durch die Gemeinschaft; Kosten nach allgemeinem Schlüssel oder abweichendem Beschlussschlüssel für die Kostenart.
  4. Beschluss fassen: Sanierungsumfang, Vergabe, Finanzierung (Rücklage/Nachschuss), ggf. nur Kostenverteilungsschlüssel für „Terrassen-Kostenart“ beschließen.
  5. Einzelfall beachten: Bautechnische Ursachen (Planung/Ausführung), Gewährleistungsfristen, Versicherungsdeckung, Gleichbehandlung.

Typische Klauseln und ihre Wirkung

  • „Alle Terrassen sind vom jeweiligen Eigentümer auf eigene Kosten instand zu halten und zu setzen“ → regelmäßig auch Abdichtung/Dachaufbau umfasst, sofern Wortlaut keine Einschränkung enthält.
  • „Nur Beläge/Geländer“ → Abdichtung verbleibt bei der Gemeinschaft.
  • „Kosten der Terrassenunterhaltung trägt der jeweilige Eigentümer“ → deutet auf umfassende Kostentragung, Auslegung am Gesamttext.

Checkliste für Verwalter und Beirat

  • TE/GO Wortlaut sichern und auslegen lassen; Unklarheiten dokumentieren.
  • Bauteilaufnahme: Fotodoku, Schichtenaufbau, Gutachten bei Feuchteschäden.
  • Beschlussvorlagen trennen: 1) Ob und Wie der Sanierung, 2) Kostenverteilung, 3) Finanzierung (Rücklage/Nachschuss/Finanzierung).
  • Bei Vereinbarungsbedarf: Änderung der TE/GO notariell vorbereiten; 100 % erforderlich, sofern keine Öffnungsklausel.
  • Gleichbehandlung sicherstellen: Alle Terrassen gleich behandeln; kein Einzelfallprivileg ohne Rechtsgrund.

FAQ

  • Kann die Gemeinschaft per Mehrheitsbeschluss die Abdichtungskosten dem Terrasseneigentümer allein auferlegen?
    Nein. Für Alleinlast bei gemeinschaftlichen Bauteilen braucht es eine Vereinbarung in TE/GO. Ein Beschluss genügt nicht. Zulässig ist aber ein abweichender Schlüssel für die Kostenart im Rahmen des Gemeinschaftsrechts.
  • Belag erneuert der Eigentümer eigenmächtig. Wer zahlt?
    Beläge/Geländer sind oft Sondereigentum oder ausschließlich dem Sondereigentum dienend; Kosten regelmäßig beim betreffenden Eigentümer. Arbeiten an Abdichtung/Dachaufbau nur mit Gemeinschaftsbeschluss.
  • Terrasse ist zugleich Dach des Nachbarn. Ändert das etwas?
    Nur, wenn TE/GO keine abweichende Kostentragung regeln. Mit klarer Vereinbarung bleibt die Alleinlast beim begünstigten Sondereigentümer.
  • Schaden durch Baumangel oder Versicherung gedeckt?
    Gewährleistung/Versicherung ist vorrangig zu prüfen. Eine Alleinlastklausel entbindet nicht von der Pflicht, Drittansprüche/Deckung zu verfolgen; sie regelt nur die interne Kostenlast.

Gesetzesverweise (Service)


Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH