Sondereigentum: Plangerechte Herstellung von Trennwänden – was der BGH (V ZR 284/14) entschied und was heute gilt
Kernsatz des Bundesgerichtshofs: Die erstmalige plangerechte Herstellung einer Wand, die zwei Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt, ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer – nicht nur der beiden benachbarten Eigentümer. Maßstab ist der im Grundbuch in Bezug genommene Aufteilungsplan. Das bleibt auch nach der WEG-Reform relevant.
Der Fall – kurz zusammengefasst
In einem 1972 errichteten Gebäude wich die tatsächliche Kelleraufteilung vom später im Grundbuch verankerten Aufteilungsplan ab: Eine Innenwand war versetzt, ein Kellerraum dadurch kleiner. Der Erwerber verlangte 2013 die plangerechte Wiederherstellung (Versetzen der Wand). Die Eigentümerversammlung lehnte ab – der Eigentümer klagte.
Die Entscheidung des BGH
- Anspruch auf plangerechte Herstellung: Jeder Wohnungseigentümer kann die erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen; das fällt unter Instandsetzung/Herstellung ordnungsmäßiger Verwaltung.
- Plan geht vor Ist-Zustand: Für die Abgrenzung des Sondereigentums ist der Aufteilungsplan maßgeblich, nicht die abweichende Bauausführung.
- Gemeinschaft ist zuständig: Die Maßnahme ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer; sie ist keine „bauliche Veränderung“, sondern Herstellung des geschuldeten Sollzustands.
- Duldungspflicht: Wird die plangerechte Herrichtung mehrheitlich beschlossen, haben Betroffene die Umsetzung zu dulden.
- Treu und Glauben / Zumutbarkeit: Der Anspruch kann ausnahmsweise entfallen, wenn die Abweichung geringfügig ist oder die Kosten/ Eingriffe unverhältnismäßig wären. Bei gravierender Abweichung besteht der Anspruch fort.
Tenor: BGH, Urteil v. 20.11.2015, V ZR 284/14.
Warum der Aufteilungsplan beim Sondereigentum den Ausschlag gibt
Das Sondereigentum entsteht in den Grenzen, die der im Grundbuch verlautbarte Aufteilungsplan vorgibt. Abweichungen in der Bauausführung heben diese abstrakten Grenzen nicht auf. Nur wenn Flächen nach Plan nicht mehr eindeutig abgrenzbar wären, käme die Planmaßgeblichkeit an Grenzen. Ansonsten gilt: Planlage ist Sollzustand, die tatsächliche Lage der Trennwand ist daran zu messen.
Unwesentliche Abweichungen, Anpassung und Zumutbarkeit
- Kleine Planabweichung: Bei nur unwesentlicher Abweichung kann statt baulicher Herstellung eine Vereinbarung zur Anpassung von Teilungserklärung/Aufteilungsplan in Betracht kommen (notariell, in der Regel einstimmig).
- Unverhältnismäßigkeit: Ist der bauliche Aufwand objektiv unzumutbar, kann der Herstellungsanspruch entfallen – das ist eng auszulegen und anhand Kosten/Nutzen, Eingriffsintensität und Planabweichung zu prüfen.
Heute (nach WEMoG 2020): Einordnung
- Ordnungsmäßige Verwaltung: Der materiell-rechtliche Maßstab verortet sich heute in § 19 WEG (angemessene Instandhaltung/-setzung). Die Planmaßgeblichkeit bleibt Leitlinie.
- Bauliche Veränderungen: § 20 WEG betrifft Veränderungen des Ist-Zustands; die hier streitige plangerechte Herstellung ist davon zu trennen.
- Vertretung/Prozess: Die GdWE ist rechtsfähig; sie macht Ansprüche durch ihren gesetzlichen Vertreter (Verwalter) geltend (§ 9a WEG). Umgekehrt können einzelne Eigentümer die Gemeinschaft auf ordnungsmäßige Verwaltung in Anspruch nehmen.
Praxisleitfaden für GdWE, Beirat und Verwaltung
- 1. Beweissichere Bestandsaufnahme: Aufmaß der betroffenen Flächen, Abgleich mit Aufteilungsplan (Grundbuchauszug/Planblätter), Fotodokumentation, ggf. Sachverständigenprotokoll.
- 2. Rechtslage klären: Ist die Abweichung wesentlich? Liegt eine eindeutige Planlage vor? Sind tragende Bauteile betroffen (Statik, Brandschutz)?
- 3. Beschlussvorlage strukturieren: a) Feststellung der Planabweichung, b) Entscheidung „plangerechte Herstellung“ inkl. Leistungsbild (Planung, Statik, Bauausführung), c) Kostentragung durch die Gemeinschaft nach geltender Verteilung (meist MEA), d) Beauftragung Fachplaner/Fachunternehmen, e) Duldungspflichten im SE regeln (Zutritt, Termine, Schutzmaßnahmen).
- 4. Alternativen prüfen: Bei geringfügiger Abweichung: wirtschaftlicher Vergleich „Herstellung vs. Anpassung von TE/Plan“. Bei Plananpassung notarielles Verfahren und Zustimmungserfordernisse beachten.
- 5. Kommunikation mit Betroffenen: Frühzeitige Information der Nachbarn, Terminplanung, Baubegleitung und Abnahme; Mieter informieren (Zutritt, Lärm, Schutz von Einlagerungen).
- 6. Dokumentation & Archiv: Nach Herstellung neue Bestandsunterlagen, Protokolle, Pläne und Beschlüsse zentral ablegen; so lassen sich spätere Streitigkeiten vermeiden.
FAQ – häufige Fragen
- Wer bezahlt die plangerechte Herstellung? Grundsätzlich die Gemeinschaft nach der internen Kostenverteilung (typisch MEA). Individuelle Verursachung kann Sonderumlagen/Regress rechtfertigen – nur bei klarer Nachweislage.
- Kann der Nachbar allein verpflichtet werden? Nein. Der BGH betont die Zuständigkeit der Gemeinschaft; die benachbarten Eigentümer sind nicht allein verantwortlich.
- Was, wenn die Wand im Sondereigentum zu stehen scheint? Auch dann ist die Entfernung/Versetzung zur Erreichung des Sollzustands Gemeinschaftsaufgabe; Duldungs- und Zutrittspflichten sind zu beachten.
- Wie gehe ich als einzelner Eigentümer vor? Antrag an die Verwaltung auf Aufnahme eines Beschlusspunkts („Feststellung Planabweichung & plangerechte Herstellung“). Bei Ablehnung: gerichtliche Kontrolle auf ordnungsmäßige Verwaltung.
Ursprünglicher Artikel: Januar 2016
Aktualisiert am 19.11.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH




