Nebenkostenabrechnung: BGH-Urteil vom 20.01.2016 (VIII ZR 93/15) und was seitdem gilt
Am 20.01.2016 hat der Bundesgerichtshof die formellen Anforderungen an die Nebenkostenabrechnung (Betriebskostenabrechnung) präzisiert: Abrechnungen dürfen „nicht überfrachtet“ werden. Für die Praxis bedeutet das weniger Formalismen – bei weiterhin klaren Mindestinhalten nach § 556 Abs. 3 BGB.
Was der BGH 2016 klargestellt hat
Kein Zwang zur Darstellung sämtlicher Gesamt-Anlagenkosten: Es genügt, die Gesamtkosten je Abrechnungseinheit (z. B. Gebäude) auszuweisen und daraus den Mieteranteil zu berechnen. Eine Zwischenschritt-Dokumentation (Gesamtanlage → Gebäude) ist formell nicht erforderlich.
„Bereinigte“ Kosten zulässig: Nicht umlagefähige Bestandteile müssen nicht in der Mietabrechnung stehen. Entscheidend ist die schlüssige Kostenaufstellung der umlagefähigen Anteile je Kostenart.
Übersichtlichkeit vor Detailflut: Abrechnung soll für Mieter verständlich bleiben; tiefergehende Nachvollziehbarkeit erfolgt über Belegeinsicht.
Formelle Mindestinhalte einer Nebenkostenabrechnung (unverändert bindend)
Abrechnungszeitraum (max. 12 Monate) und Einhaltung der Abrechnungsfrist (Zugang beim Mieter innerhalb von 12 Monaten nach Periodenende), § 556 Abs. 3 BGB.
Zusammenstellung der Gesamtkosten je Kostenart für die Abrechnungseinheit (z. B. Gebäude).
Angabe und Erläuterung des Verteilerschlüssels (z. B. m², Personen, Einheiten, Verbrauch).
Berechnung des Mieteranteils je Kostenart.
Abzug der Vorauszahlungen und Saldo (Nachzahlung/Guthaben).
Was sich seit 2016 geändert hat
Heizkostenverordnung 2021 (Novelle): Einführung der Fernablesbarkeitspflicht für neu installierte Messausstattung, unterjährige Verbrauchsinformationen bei fernablesbaren Geräten, erweiterte Informationspflichten. Bei Verstößen bestehen Kürzungsrechte der Nutzer nach § 12 HeizkostenV. Für Bestände gelten Übergangs- und Nachrüstfristen; Details je Gerätetyp beachten.
CO₂-Kostenaufteilungsgesetz 2023 (CO2KostAufG): Gesetzliche Kostenaufteilung der CO₂-Kosten zwischen Vermieter und Mieter (10-Stufen-Modell) abhängig von der energetischen Qualität des Gebäudes; Auswirkungen auf die Heizkostenposition innerhalb der Nebenkosten. Gesetz: CO2KostAufG.
Digital/Smart Meter & unterjährige Infos: Bei fernablesbarer Ausstattung sind monatliche Verbrauchsinfos bereitzustellen; dies verbessert die Transparenz, ersetzt aber nicht die jährliche Abrechnung.
Rechtsprechung zur Abrechnungspraxis: Die Linie bleibt konstant: formelle Ordnungsmäßigkeit = oben genannte Mindestangaben. Inhaltliche Einwände (z. B. zu einzelnen Beträgen) sind materiell-rechtlich zu prüfen und hindern die Fälligkeit nicht automatisch.
Praxisleitfaden für Vermieter/Verwaltungen
Fristen sicherstellen: Spätester Zugang der Abrechnung beim Mieter = 12 Monate nach Periodenende. Verspätung führt i. d. R. zum Anspruchsverlust für Nachforderungen (§ 556 Abs. 3 BGB).
Transparenz ohne Überfrachtung: Pro Gebäude Kostenarten sauber summieren; Verteilerschlüssel klar benennen; Mieteranteil und Vorauszahlungen rechnerisch nachvollziehbar darstellen.
Belegeinsicht organisieren: Originalbelege/Verträge auf Anforderung zugänglich machen; Kopien gegen Kostenersatz bereitstellen.
HeizkostenV umsetzen: Ausstattung, Fernablesbarkeit, Informationspflichten, ggf. Kürzungsrisiken prüfen.
CO₂-Kosten splitten: Stufe ermitteln, Aufteilung korrekt ausweisen; Datengrundlagen dokumentieren.
Vorauszahlungen anpassen: Nach Abrechnung sachgerecht erhöhen/senken (§ 560 Abs. 4 BGB).
Besonderheiten in der WEG- und Mietverwaltung
WEG-Jahresabrechnung ≠ Mietnebenkostenabrechnung: Die Jahresabrechnung der GdWE rechnet Einnahmen/Ausgaben gegenüber Eigentümern nach Beschlusslage ab; die Mietnebenkostenabrechnung folgt ausschließlich dem Mietrecht (BGB/BetrKV/HeizkostenV) und richtet sich an Mieter.
Datenfluss aus der WEG: Für Vermieter innerhalb einer WEG sind die hausgeldrelevanten Kostenanteile und Verteilermessungen die Grundlage, müssen aber mietrechtlich korrekt aufbereitet werden (Kostenkatalog, Umlageschlüssel, HeizkostenV/CO₂-Split).
Häufige Fehler – und wie man sie vermeidet
Fehlender/ungeklärter Verteilerschlüssel: Schlüssel je Kostenart klar angeben und konsistent anwenden.
Vermischung von nicht umlagefähigen Kosten: Nur BetrKV-fähige Positionen umlegen; „Bereinigung“ sauber dokumentieren (intern).
Heizkosten ohne Verbrauchsanteil: Grundsatz: verbrauchsabhängige Abrechnung; Ausnahmen eng. Sonst Kürzungsrisiko nach HeizkostenV.
CO₂-Kosten nicht aufgeteilt: Gesetzliche Aufteilung zwingend ausweisen (CO2KostAufG).
Fristversäumnisse: Interne Timelines, Vorabdaten der WEG und Messdienste früh anfordern.
FAQ kompakt
Welche Einwendungsfrist hat der Mieter? 12 Monate nach Zugang der Abrechnung; danach sind Einwendungen regelmäßig ausgeschlossen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB).
Darf der Vermieter die Vorauszahlungen einseitig anpassen? Ja, nach einer ordnungsgemäßen Abrechnung sachgerecht nach oben/unten (§ 560 Abs. 4 BGB).
Muss ich alle Gesamtanlagenkosten zeigen? Nein. Es reicht die nachvollziehbare Darstellung der Gebäudekosten je Kostenart und der daraus abgeleitete Mieteranteil (BGH 20.01.2016, VIII ZR 93/15).
Welche Rolle spielt die Belegeinsicht? Sie ersetzt die Detailflut in der Abrechnung: Mieter dürfen Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nehmen.
Ursprünglicher Artikel: Februar 2016
Aktualisiert am 19.11.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH




