BGH zur Vertretungsbeschränkung in der Teilungserklärung: Juristische Personen sachgerecht vertreten


Leitsatz

Vertretungsklauseln in Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (TE/GO), die erkennbar auf natürliche Personen zugeschnitten sind, dürfen juristische Eigentümer nicht schlechterstellen. Eine juristische Person darf sich in der Eigentümerversammlung durch einen sachkundigen Mitarbeiter einer konzernangehörigen Verwaltungsgesellschaft vertreten lassen. (BGH, Urt. v. 28.06.2019 – V ZR 250/18)


Rechtsrahmen seit 2020: Was gilt unverändert, was kam hinzu?

  • Unverändert maßgeblich: Die BGH-Linie zur ergänzenden Auslegung von Vertretungsklauseln bleibt tragfähig. Juristische Personen dürfen rechtsgeschäftliche Vertreter entsenden, wenn Sachkunde und Zuordnung zur Gemeinschaft belegt sind.
  • Hybrid- und Online-Formate: Teilnahme per elektronischer Kommunikation ist per Beschluss möglich (§ 23 Abs. 1 WEG). Reine Online-Versammlungen sind seit 2024 gesetzlich eröffnet, wenn die formellen Voraussetzungen vorliegen (§ 23 Abs. 1a WEG).
  • GbR-Praxis seit 2024: Durch die Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) gibt es die eingetragene GbR (eGbR) mit Registerauszug. Für die Vertretung in der Versammlung heißt das: Vertretungsberechtigung lässt sich einfacher formell nachweisen. An TE/GO-Grenzen ändert das nichts.
  • Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis: Keine Änderung zulasten der hier behandelten Vertretung. Die Regeln zu § 9a WEG (Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft) laufen daneben.

Der Fall in Kürze

  • TE/GO ließ Vertretung „nur durch Ehegatten, anderen Eigentümer oder Verwalter“ zu.
  • Juristische Eigentümerin entsandte Mitarbeiterin einer konzerninternen Verwaltungstochter.
  • Versammlungsleitung wies die Vollmacht zurück; Beschlussfassung ohne die Großstimmen der Eigentümerin.
  • BGH: Klausel lückenhaft für juristische Personen → ergänzende Auslegung zugunsten sachkundiger rechtsgeschäftlicher Vertreter. Beschluss ungültig.

Was bedeutet das heute für TE/GO und Praxis?

1) Vertretungsklauseln modernisieren

Regelungen, die nur „Ehegatten/andere Eigentümer/Verwalter“ nennen, sind für juristische Personen erkennbar unvollständig. Empfohlen ist eine Öffnungsklausel:

  • Natürliche Personen: Vertretung durch Ehegatten/Lebenspartner, Verwandte in gerader Linie, andere Eigentümer, Verwalter.
  • Juristische Personen: Vertretung durch Organvertreter oder rechtsgeschäftliche Vertreter (auch Mitarbeiter einer beauftragten Verwaltungsgesellschaft), sofern mit den Einheiten der WEG betraut.

2) Hybrid/virtuell sauber abbilden

  • Beschlussgrundlage schaffen: Teilnahme per elektronischer Kommunikation (hybrid) per Mehrheitsbeschluss ausgestalten (§ 23 Abs. 1 WEG).
  • Reine Online-Versammlung: Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1a WEG beachten (Einladungstext, Zugang, Identitäts- und Vollmachtsprüfung, Protokollierung).

3) Nachweisführung vereinfachen

  • Juristische Person: Vollmacht mit Aufgabenbeschreibung, ggf. Konzernbezug und Zuständigkeit für das Objekt. Bei eGbR: Registerauszug beifügen.
  • Untervollmacht: Nur wenn ausdrücklich gestattet; Kette lückenlos dokumentieren.

Checklisten

Für die Versammlungsleitung

  • Vollmacht vor Sitzungsbeginn sichten; Identität, Vertretungskette, Zuständigkeit prüfen.
  • Bei juristischen Eigentümern: Sachkunde/Zuordnung des Vertreters plausibel? Verwaltungstochter beauftragt?
  • Hybrid/online: Zugangsdaten personalisiert, Vollmacht im Original/qualifiziert digital, Identitätsprüfung dokumentiert.
  • Zweifel? Vorläufig zulassen, strittige Stimmen kenntlich machen und protokollieren.

Für juristische Eigentümer

  • Vollmacht mit konkretem Gemeinschaftsbezug, Datum, Umfang, Untervollmacht-Klausel.
  • Bestellung/Beauftragung der Verwaltungstochter beilegen; Organigramm hilft.
  • Benannter Mitarbeiter: Funktions-/Sachkundebestätigung.
  • Bei Online-Teilnahme: rechtzeitig Übermittlung der Nachweise nach den Beschlussvorgaben.

Do’s & Don’ts

  • Do: TE/GO anpassen, um klare Regeln für natürliche und juristische Personen sowie Hybrid/Online-Teilnahme zu haben.
  • Do: Vollmachtsmuster und Merkblatt zur Vertretung bereitstellen; vorab-Prüfung ermöglichen.
  • Don’t: Vertreter schematisch abweisen, nur weil er nicht Organvertreter ist.
  • Don’t: Untervollmachten ohne Ermächtigung akzeptieren.

FAQ

  • Muss der Vertreter Mitarbeiter der Eigentümerin sein? Nein. Bei ausgelagerter Verwaltung reicht ein sachkundiger Mitarbeiter der beauftragten Verwaltungstochter.
  • Rechtsanwalt als Vertreter? Möglich, wenn TE/GO das zulässt oder ergänzende Auslegung es trägt; besser ausdrücklich regeln.
  • Wie sichere ich Vertretung im Online-Format? Vollmacht vorab einreichen, Identität prüfen, Beschlussvorgaben zu Technik/Protokoll einhalten.
  • Was, wenn die Leitung unberechtigt abweist? Beschluss anfechten; bei Entscheidungserheblichkeit droht Ungültigkeit.

Musterbaustein TE/GO (unverbindlich)

„Jeder Wohnungseigentümer kann sich vertreten lassen. Natürliche Personen durch Ehegatten/Lebenspartner, Verwandte in gerader Linie, einen anderen Wohnungseigentümer oder den Verwalter; juristische Personen durch Organvertreter oder rechtsgeschäftliche Vertreter (insbesondere Mitarbeiter einer von ihr beauftragten Verwaltungsgesellschaft), sofern diese mit den die Gemeinschaft betreffenden Vorgängen betraut sind. Die Vollmacht ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe des Einladungsbeschlusses vorzulegen. Die Teilnahme und Stimmabgabe per elektronischer Kommunikation sowie die Durchführung reiner Online-Versammlungen richten sich nach den Beschlüssen gemäß § 23 WEG.“


Ursprünglicher Artikel: März 2020

Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH