DDIV plädiert für umfassende WEG-Reform
Gesetzesentwürfe aus Berlin und Bayern greifen zu kurz – eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes ist erforderlich
Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV, heute VDIV Deutschland) forderte eine echte Modernisierung des Wohnungseigentumsrechts. Kernpunkte: weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit, klare Zuständigkeiten in der Gemeinschaft und belastbare Qualifikationsstandards für Verwalter. Hintergrund waren Diskussionsentwürfe aus Bund und Bayern, die wesentliche Praxisprobleme offenließen.
Warum eine umfassende WEG-Reform nötig war
- Hohe Streitlast: Ein erheblicher Anteil zivilrechtlicher Verfahren betraf Miet- und WEG-Recht. Unklare Regeln erzeugten Kosten und Verzögerungen.
- Neue Anforderungen: Digitalisierung, E-Mobilität, Barrierefreiheit, Einbruchschutz und Klimaschutz verlangten schnellere Entscheidungen und verlässliche Standards.
- Finanzierung und Werterhalt: Zu niedrige Rücklagen und erschwerte Beschlüsse blockierten Instandsetzungen und energetische Maßnahmen.
- Rollenklärung: Abgrenzungen zwischen Gemeinschaft, Sondereigentum und Mietrecht führten zu Reibungsverlusten.
Forderungen des DDIV (Auswahl)
- Entschlackung von Beschluss- und Anfechtungsregeln, zügige Umsetzungsfähigkeit der Gemeinschaft.
- Vereinfachte bauliche Maßnahmen bei gesamtobjektdienlichen Themen wie Ladeinfrastruktur, Barrierefreiheit, Telekommunikation, Einbruchschutz.
- Klare Betreiber-, Dokumentations- und Zutrittsregeln für technische Anlagen.
- Qualifikationsstandard für Verwalter als Zulassungsvoraussetzung („Sachkundenachweis“).
- Harmonisierung mit dem Mietrecht, um Doppelspurigkeiten und Abgrenzungsstreit zu reduzieren.
Was seitdem umgesetzt wurde (Stand: aktuell)
WEMoG 2020 – zentrale Änderungen
- Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft: Anspruch jedes Eigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung und Instandhaltung (§§ 18, 19 WEG). Einfachere Beschlussfassung, erweiterte Beschlusskompetenzen.
- Bauliche Veränderungen neu geregelt (§ 20 WEG): Mehrheitsbeschluss ausreichend; Zumutbarkeitsschranke schützt Betroffene. Privilegierte Maßnahmen mit Anspruch auf Gestattung: Barrierefreiheit, E-Mobilität (Ladestationen), Telekommunikation (Netzinfrastruktur), Einbruchschutz.
- Digitale Elemente: Online-Teilnahme an Versammlungen per Beschluss möglich; Umlaufbeschlüsse in Textform erleichtert.
- Verbandsstruktur: Stärkung der Gemeinschaft als Trägerin von Rechten und Pflichten; klare Vertretung durch den Verwalter (§ 9a/9b WEG).
Qualifikation des Verwalters
- Zertifizierter Verwalter (§ 26a WEG): Jeder Eigentümer hat einen Anspruch auf Bestellung eines „zertifizierten Verwalters“. Inhalt und Prüfung regelt die Zertifizierungsverordnung. Bestimmte Berufsabschlüsse gelten als gleichgestellt. Das ist kein allgemeiner „Sachkundenachweis“ als Berufszugang, erhöht aber den Qualifikationsstandard faktisch.
- Pflichtenprofil: Stärker formalisiertes Aufgaben- und Berichtswesen (u. a. Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht), mehr Dokumentation und Transparenz.
Praxisfolgen
- Schneller entscheiden: Energetik, Ladeinfrastruktur, Einbruchschutz und Barrierefreiheit sind leichter durchsetzbar.
- Weniger Blockaden: Mehrheitsprinzip bei baulichen Veränderungen mit Zumutbarkeitsprüfung statt faktischer Einstimmigkeit.
- Qualitätssicherung: Der Anspruch auf zertifizierte Verwaltung hebt Mindeststandards und reduziert Haftungs- und Umsetzungsrisiken.
Was weiterhin offen ist
- Vollständiger Sachkundenachweis: Ein echter, flächendeckender Berufszugang mit Sachkundeprüfung wurde nicht eingeführt. Der zertifizierte Verwalter ist ein wesentlicher Schritt, ersetzt aber kein Lizenzregime.
- Harmonisierung mit Mietrecht: Schnittstellenfragen (Modernisierung, Betriebskosten, Zutritt) bestehen fort und bedürfen fortlaufender Präzisierung durch Gesetz und Rechtsprechung.
- Digitalisierung: Dauerhafte, rechtssichere Hybrid- und Online-Formate sind möglich, bedürfen aber guter Satzungs- und Beschlusspraxis.
Konkrete Empfehlungen für Gemeinschaften und Beiräte
- Beschlusspraxis standardisieren: Muster für privilegierte Maßnahmen (§ 20 Abs. 2 WEG), Zutritt, Dokumentation und Abnahme.
- Qualifikation sichern: Anspruch auf zertifizierten Verwalter prüfen und bei Bedarf Beschluss zur Neubestellung oder Qualifikationsnachweis fassen.
- Strategie für Klimaschutz/E-Mobilität: Stufenplan mit Technik-Konzept, Finanzierung (Rücklage/Sonderumlage/KfW), Lastmanagement und Betreiberpflichten.
- Digitale Kompetenz: Online-Teilnahme, elektronische Zustellungen, Dokumentenportal per Beschluss legitimieren; Datenschutz beachten.
- Rücklage anpassen: Mehrjahresplanung für Instandsetzung und energetische Maßnahmen; regelmäßige Plausibilisierung.
FAQ
- Ist für Ladepunkte jetzt immer Einstimmigkeit nötig?
Nein. Ladeinfrastruktur ist privilegiert. Es besteht ein Gestattungsanspruch; Beschluss legt Ausführung und Kostentragung fest. - Kann die Gemeinschaft „digital“ tagen?
Ja, wenn per Beschluss zugelassen. Reine Online-Versammlungen und hybride Formen sind organisierbar; Einladungs- und Nachweisregeln sauber halten. - Reicht „zertifizierter Verwalter“ statt Sachkundenachweis?
Für den gesetzlichen Anspruch ja. Ein genereller Berufszugang mit Pflichtlizenz existiert nicht. Gemeinschaften können zusätzliche Eignungskriterien ausschreiben. - Wer trägt Kosten privilegierter Maßnahmen?
Grundsatz: Der Begünstigte. Abweichungen durch Beschluss möglich, wenn ordnungsmäßig und zumutbar.
Position des DDIV/VDIV im Lichte der Reform
Viele Kernanliegen des Verbands wurden aufgegriffen: schnellere Beschlüsse, privilegierte Maßnahmen, Stärkung der Gemeinschaft und ein belastbarer Qualifikationsrahmen. Offene Punkte bleiben die flächendeckende Professionalisierung per Sachkundenachweis und eine tiefergehende Angleichung an mietrechtliche Mechaniken. Für die Praxis empfiehlt sich, die neuen Spielräume konsequent zu nutzen und zugleich Qualitäts- und Compliance-Standards zu erhöhen.
Praxis-Checkliste für Eigentümerversammlung
- Beschlusskompetenz prüfen und rechtssicher formulieren.
- Technik- und Finanzkonzept beifügen; Angebote strukturiert vergleichen.
- Dokumentations-, Wartungs- und Betreiberpflichten regeln.
- Digitale Teilnahme/Unterlagenbereitstellung beschließen.
- Verwalterqualifikation: Zertifikat/ Gleichstellung nachweisen lassen.
Artikel vom März 2019. Aktualisiert am: 23.10.2025 – Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner




