§ 19 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Gebrauchsregelung und Zweckbestimmung
(Aktualisiert, insbesondere zur Ferienvermietung, gemäß aktueller BGH-Rechtsprechung)
Einleitung
Darf ich meine Wohnung als Ferienwohnung nutzen? Kann ich mein Teileigentum als Wohnung vermieten? Und was ist eigentlich mit dem Kinderwagen im Hausflur?
Im Alltag von Wohnungseigentümergemeinschaften kommt es immer wieder zu Konflikten über die Nutzung von Wohnungen, Kellerräumen, Treppenhäusern oder Gewerbeflächen. § 19 WEG bietet hierfür den rechtlichen Rahmen: Er regelt, dass das Eigentum gemäß der jeweiligen Zweckbestimmung genutzt werden darf – und dass die Eigentümergemeinschaft darüber hinaus Regeln für den Gebrauch aufstellen kann.
Dieser Artikel beleuchtet, was die Zweckbestimmung bedeutet, wie Gebrauchsregelungen zustande kommen und welche rechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind.
Gesetzestext von § 19 WEG (Stand 2024)
§ 19 WEG – Gebrauchsregelung und Zweckbestimmung
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, im Gebrauch seines Sondereigentums frei.
(2) Die Eigentümer können den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums durch Vereinbarung oder durch Beschluss regeln, soweit die Regelung nicht zu einer über das in Absatz 1 hinausgehenden Einschränkung führt.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Gebrauchsregelung und die Zweckbestimmung gelten auch für das Teileigentum.
1. Was bedeutet „Zweckbestimmung“?
Die Zweckbestimmung eines Sondereigentums ergibt sich aus der Teilungserklärung. Sie legt fest, ob eine Einheit:
als Wohnung
als Teileigentum (z. B. Büro, Praxis, Laden)
oder für einen sonstigen Zweck
genutzt werden darf.
Wichtige Grundsätze:
Ein Wohnungseigentum darf nur zu Wohnzwecken genutzt werden – keine gewerbliche Nutzung ohne ausdrückliche Erlaubnis.
Umgekehrt darf ein Teileigentum (z. B. Büro) nicht einfach zu Wohnzwecken umgewandelt werden.
Die Zweckbestimmung ist bindend – auch für Rechtsnachfolger.
2. Die Freiheit des Gebrauchs im Sondereigentum (§ 19 Abs. 1 WEG)
Grundsatz: Eigentümer dürfen ihr Sondereigentum grundsätzlich frei nutzen – innerhalb der gesetzlichen Vorgaben und unter Beachtung der Rechte anderer.
Erlaubt sind z. B.:
normale Wohnnutzung bei Wohnungseigentum
Einrichten eines Homeoffice (nicht gleichzusetzen mit gewerblicher Nutzung)
übliche Freizeitgestaltung (z. B. Musik in Zimmerlautstärke)
Nicht erlaubt sind z. B.:
Zweckentfremdung von Kellerräumen als dauerhafte Aufenthaltsräume
Nutzung als Veranstaltungslocation
intensive gewerbliche Nutzung in einer reinen Wohnanlage
3. Gebrauchsregelungen durch Vereinbarung oder Beschluss (§ 19 Abs. 2 WEG)
Die Eigentümergemeinschaft kann durch Vereinbarungen (einstimmig) oder Beschlüsse (mehrheitlich) den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums und – in engen Grenzen – auch des Sondereigentums näher regeln.
Typische Beschlüsse/Vereinbarungen:
Fahrräder dürfen nur im Fahrradraum abgestellt werden
Kinderwagen sind im Hausflur nicht erlaubt
Musizieren nur zu bestimmten Uhrzeiten
Nutzung von Balkonen zu bestimmten Zeiten
Verbot von Grillen auf dem Balkon
Wichtig:
Beschlüsse dürfen nicht die Zweckbestimmung ändern oder die Grundrechte der Eigentümer unzulässig einschränken.
4. Ferienvermietung – was ist erlaubt?
Ein häufig diskutiertes Thema ist die Kurzzeitvermietung an Feriengäste, z. B. über Airbnb oder Booking-Plattformen.
Aktuelle Rechtsprechung (BGH, V ZR 112/18):
Eine solche Nutzung ist grundsätzlich zulässig, wenn die Teilungserklärung nur eine Wohnnutzung vorsieht.
Ferienvermietung fällt unter „Wohnzwecke“ – auch wenn die Mieter oft wechseln.
Ein Mehrheitsbeschluss der WEG kann die Ferienvermietung nicht verbieten, wenn keine Zweckänderung in der Teilungserklärung erfolgt.
Nur eine einstimmige Vereinbarung aller Eigentümer oder eine ausdrückliche Zweckbestimmung kann die Kurzzeitvermietung untersagen.
Aber:
Eine unzulässige gewerbliche Prägung, häufige Lärmbelästigung oder sicherheitsrelevante Beeinträchtigungen können individuelle Unterlassungsklagen rechtfertigen.
Kommunale Regelungen (z. B. Zweckentfremdungssatzungen in Großstädten) bleiben unberührt.
5. Besonderheiten bei Teileigentum (§ 19 Abs. 3 WEG)
Teileigentum ist nicht zur Wohnnutzung bestimmt. Es wird typischerweise genutzt für:
Praxen
Kanzleien
Läden
Büroräume
Wichtig zu wissen:
Eine Nutzung als Wohnung ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Eine Änderung der Nutzungsart erfordert eine neue Zweckbestimmung per Vereinbarung.
Konflikte entstehen oft bei Mischnutzung (z. B. Laden + Wohnung im selben Gebäude).
6. Beispielhafte Regelungen in der Praxis
Beispiel 1: Zweckentfremdung
Ein Eigentümer nutzt eine als „Teileigentum“ deklarierte Einheit als Wohnung. → unzulässig, da Wohnnutzung nicht von der Teilungserklärung gedeckt ist.
Beispiel 2: Gebrauchsregelung Hausflur
Die Gemeinschaft beschließt, dass keine Gegenstände (z. B. Schuhe, Pflanzen) im Treppenhaus abgestellt werden dürfen. → zulässig, da Sicherheit und Brandschutz betroffen sind.
Beispiel 3: Ferienvermietung
Ein Eigentümer vermietet seine Wohnung über Airbnb. Die Teilungserklärung erlaubt Wohnnutzung. → zulässig, wenn keine Zweckentfremdungssatzung oder anderslautende Vereinbarung vorliegt.
Häufige Missverständnisse
„Ich darf mit meinem Eigentum machen, was ich will.“
→ Nein – die Nutzung ist durch Gesetz, Teilungserklärung und Gemeinschaftsregeln begrenzt.
„Wenn die Mehrheit etwas beschließt, gilt das.“
→ Nur, wenn der Beschluss die Rechte der Eigentümer nicht unzulässig einschränkt und die Zweckbestimmung beachtet wird.
„Teileigentum ist wie Wohnungseigentum.“
→ Nein – die Nutzungsmöglichkeiten sind enger gefasst, insbesondere keine Wohnnutzung erlaubt.
„Ferienvermietung ist automatisch gewerbliche Nutzung.“
→ Nein – laut BGH ist Ferienvermietung bei Wohnzweck grundsätzlich zulässig, wenn keine Einschränkung in der Teilungserklärung.
FAQs zu § 19 WEG
Was ist, wenn ich meine Einheit anders nutzen möchte als vorgesehen?
Dann ist eine Änderung der Zweckbestimmung durch Vereinbarung aller Eigentümer nötig.
Darf ich meine Wohnung über Airbnb vermieten?
Ja, sofern die Teilungserklärung dies nicht ausdrücklich ausschließt und keine andere Vereinbarung getroffen wurde.
Können Beschlüsse mein Eigentum einschränken?
Ja, aber nur in engen Grenzen – die Grundrechte und die Zweckbestimmung dürfen nicht verletzt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Vereinbarung und Beschluss?
Vereinbarung = einstimmige Zustimmung aller Eigentümer;
Beschluss = Mehrheit entscheidet, aber nur innerhalb gesetzlicher Grenzen.
Kann ich gegen einen Beschluss vorgehen?
Ja, durch Anfechtungsklage binnen eines Monats ab Beschlussfassung (§ 44 WEG).
Fazit
§ 19 WEG schützt die individuelle Nutzung des Eigentums, bietet aber auch den Rahmen für sinnvolle Gebrauchsregelungen. Die aktuelle Rechtsprechung – insbesondere zur Ferienvermietung – betont das Gleichgewicht zwischen Freiheit des Einzelnen und den Interessen der Gemeinschaft.
Für Eigentümer, Verwalter und Beiräte ist entscheidend, die Zweckbestimmung in der Teilungserklärung sorgfältig zu prüfen und nur solche Regelungen zu beschließen, die rechtlich zulässig und praktikabel sind.
Im nächsten Beitrag folgt § 20 WEG – bauliche Veränderungen, der die neuen Rechte von Eigentümern seit der großen WEG-Reform 2020 in den Mittelpunkt stellt.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: September 2025