§ 20 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Bauliche Veränderungen

(Mit aktueller Rechtslage inkl. privilegierter Maßnahmen wie Steckersolargeräten)


Einleitung

Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum waren lange einer der größten Streitpunkte im Wohnungseigentumsrecht. Seit der WEG-Reform gilt das Mehrheitsprinzip – und zusätzlich haben einzelne Eigentümer Anspruch auf bestimmte, gesetzlich privilegierte Maßnahmen (Barrierefreiheit, E-Mobilität, Einbruchschutz, Glasfaser und Steckersolargeräte). Hier erklären wir, was zulässig ist, wie Sie korrekt vorgehen und wo die Grenzen liegen.


Gesetzestext von § 20 WEG (Stand 2025)

§ 20 WEG – Bauliche Veränderungen

(1) Über bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum beschließen die Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
3. dem Einbruchschutz,
4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität oder
5. dem Betrieb von Steckersolargeräten
dienen.

(3) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen.


1. Was ist eine bauliche Veränderung?

Bauliche Veränderungen sind gestaltende Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum, die über bloße Erhaltung hinausgehen (optisch, technisch oder funktional).

  • Beispiele: neue Fassadenfarbe/-verkleidung, Wallbox in der TG, Balkonverglasung, Rampe statt Stufe, Markise in anderer Optik.
  • Keine bauliche Veränderung: reine Instandhaltung/Instandsetzung „alt gegen gleich“ ohne geänderte Optik/Funktion.

2. Privilegierte Maßnahmen – Ihr Anspruch (Abs. 2)

Für diese Maßnahmen besteht ein Individualanspruch. Die Gemeinschaft muss sie grundsätzlich zulassen, darf aber Ausführungsvorgaben machen (Sicherheit, Statik, Optik, Leitungsführung). Voraussetzung ist stets die Angemessenheit (keine unzumutbaren Nachteile/Kosten für andere):

  • Barrierefreiheit – z. B. Rampen, Treppenlift, Automatiktür.
  • E-Mobilität – Leitungsweg + Wallbox/Lastmanagement.
  • Einbruchschutz – z. B. einbruchhemmende Türen/Fensterbeschläge, gesichertes Schließsystem.
  • Glasfaser – Anschluss an ein Netz sehr hoher Kapazität bis zur Einheit.
  • Steckersolargeräte („Balkonkraftwerke“) – Anbringung an Balkon/Brüstung/Fassade oder Aufstellung auf Terrasse; Umsetzung nach vorgegebenem Montage- und Elektrokonzept.

3. „Normale“ bauliche Veränderungen (Mehrheitsprinzip, Abs. 1)

Alle übrigen baulichen Veränderungen entscheiden die Eigentümer mit einfacher Mehrheit. Beispiele: Fassadengestaltung, neue Außenbeleuchtung, Fahrradhaus, Dämmung, einheitliches Markisenmodell.


4. Maßnahmen nur mit Einstimmigkeit (Abs. 3)

Für nicht privilegierte Maßnahmen, die ein einzelner Eigentümer erzwingen möchte, braucht es die Zustimmung aller (z. B. stark prägende Dachgaube).


5. Grenzen: Angemessenheit & Rücksichtnahme

  • Keine unzumutbaren Nachteile (Lärm, Verschattung, Stellplatzverlust, Sicherheitsrisiken) für andere.
  • Recht/Technik einhalten: Bau-/Brandschutz, Statik, Elektrosicherheit, Denkmalschutz.
  • Erscheinungsbild: einheitliche Vorgaben (Farbe, Position, Kabelführung) sind zulässig, dürfen die Nutzung aber nicht vereiteln.

6. Ablauf in der Praxis

  1. Schriftlicher Antrag an die GdWE mit Plänen, technischen Daten, Leitungswegen, Kostentragung, Rückbauzusage.
  2. Beschlussfassung (Abs. 1: einfache Mehrheit; Abs. 2: Anspruch + Ausführungsvorgaben; Abs. 3: Einstimmigkeit).
  3. Auflagen festlegen (Montagesystem, Brandschutz, Standardisierung).
  4. Dokumentation in der Beschlusssammlung; Kosten/Nutzung separat nach § 21 WEG regeln.

7. Praxisbeispiele

  • Wallbox in der Tiefgarage – privilegiert: Gemeinschaft legt Leitungswege/Lastmanagement fest; Antragsteller trägt Regel-Kosten, nutzt den Anschluss.
  • Balkonkraftwerk – privilegiert: erlaubt mit Vorgaben (Montage ohne Fassadenschäden, einheitliche Kabelführung, Einspeisesteckdose). Rückbau bei Auszug auf eigene Kosten.
  • Markise in Sonderfarbe – nicht privilegiert: mehrheitlicher Beschluss nötig; Fassadenbild beachten.
  • Treppenlift – privilegiert: zulässig bei ausreichender Fluchtbreite; Wartung/Haftung regeln, ggf. Sondernutzung.

Häufige Missverständnisse

  • „Bei privilegierten Maßnahmen braucht es keinen Beschluss.“ – Anspruch ja, aber Gestattungs-/Ausführungsbeschluss ist nötig.
  • „Einfache Mehrheit reicht immer.“ – Nein: Für Ihren individuellen Anspruch außerhalb der Privilegierungen ist Einstimmigkeit erforderlich (Abs. 3).
  • „Optik darf nicht geregelt werden.“ – Darf sie; nur nicht so, dass die Nutzung faktisch verhindert wird.

FAQs zu § 20 WEG

Muss ich bei privilegierten Maßnahmen die Kosten tragen?

Regelmäßig ja. Verteilung/Nutzungen sind nach § 21 WEG zu beschließen.

Darf die WEG eine privilegierte Maßnahme verbieten?

Nur bei Unangemessenheit oder objektiven Hinderungsgründen (Statik, Brandschutz, gravierende Nachteile).

Welche Mehrheit gilt für „normale“ Veränderungen?

Einfache Mehrheit (Abs. 1), unter Beachtung der Angemessenheit und Rücksichtnahme.

Brauche ich für Steckersolar eine Genehmigung?

Ja, ein Beschluss ist erforderlich; der Anspruch besteht, aber Ausführung/Design legt die Gemeinschaft fest.


Fazit

§ 20 WEG verbindet die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft (Mehrheit genügt) mit starken Individualrechten für Zukunftsthemen (Barrierefreiheit, E-Mobilität, Einbruchschutz, Glasfaser, Steckersolar). Wer sauber beantragt, technische Nachweise beilegt und Gestaltungsauflagen akzeptiert, bekommt in der Regel grünes Licht – rechtssicher und konfliktarm.


Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: September 2025