§ 17 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Entziehung des Wohnungseigentums
Einleitung
Das Wohnungseigentum ist ein stark geschütztes Recht – schließlich geht es um das Zuhause eines Menschen. Dennoch kennt das Wohnungseigentumsgesetz eine extreme Ausnahme: In gravierenden Fällen kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangen, dass ein Eigentümer seine Wohnung verkauft. Diese sogenannte „Entziehung des Wohnungseigentums“ ist ein scharfes Schwert und wird nur in besonders schweren Fällen eingesetzt. § 17 WEG beschreibt die Voraussetzungen, das Verfahren und die Rechtsfolgen dieser Maßnahme.
Gesetzestext von § 17 WEG (vollständig, Stand 2025)
(1) Hat ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber anderen Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, so kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von ihm die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen.
(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen insbesondere vor, wenn der Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach § 14 Absatz 1 und 2 obliegenden Pflichten verstößt.
(3) Der in Absatz 1 bestimmte Anspruch kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(4) 1Das Urteil, durch das ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt wird, berechtigt zur Zwangsvollstreckung entsprechend den Vorschriften des Ersten Abschnitts des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. 2Das Gleiche gilt für Schuldtitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung, durch die sich der Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verpflichtet.
Kerninhalt und Systematik
Ultima Ratio: Entziehung nur bei schwersten Pflichtverletzungen und Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gemeinschaft.
Typik: Regelmäßig erst nach Abmahnung und wiederholten gröblichen Verstößen gegen § 14 Abs. 1–2 WEG.
Zwingendes Recht: Der Anspruch ist unabdingbar (§ 17 Abs. 3) – Vereinbarungen können ihn nicht ausschließen.
Durchsetzung: Gerichtliches Urteil/SCHULDTITEL → Zwangsvollstreckung bis hin zur Zwangsversteigerung (§ 17 Abs. 4).
Voraussetzungen im Detail
1. Schwere Pflichtverletzung
Erforderlich ist eine Pflichtverletzung, die weit über Alltägliches hinausgeht: massiver, nachhaltiger, schuldhafter Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten, Benutzungsregeln, Zahlungsverpflichtungen oder Duldungspflichten, der die Gemeinschaft substantiell beeinträchtigt.
2. Unzumutbarkeit der Fortsetzung
Es muss für die übrigen Eigentümer nicht mehr tragbar sein, die Gemeinschaft mit dem Betroffenen fortzusetzen (Gesamtwürdigung: Intensität, Dauer, Folgen, Einsicht, Wiederholungsgefahr).
3. Abmahnung und Wiederholung
Absatz 2 konkretisiert: trotz Abmahnung wiederholte, gröbliche Verstöße gegen § 14 Abs. 1–2 WEG indizieren die Voraussetzungen. In extremen Einzelfällen (z. B. Gewalt) kann eine Entziehung auch ohne vorausgehende Abmahnung in Betracht kommen – die Hürde bleibt aber hoch.
Verfahrensschritte in der Praxis
Dokumentation der Vorfälle (Protokolle, Abmahnungen, Zeugenaussagen, Messprotokolle, Zahlungsrückstände).
Beschluss der Gemeinschaft über die gerichtliche Geltendmachung des Entziehungsanspruchs.
Klage gegen den Eigentümer beim zuständigen Gericht (§§ 43 ff. WEG).
Urteil/Titel; bei Nichtveräußerung → Zwangsvollstreckung (bis zur Zwangsversteigerung).
Praxisbeispiele
Dauerlärm & Aggression: Jahrelange, massive Ruhestörungen; Bedrohungen gegen Nachbarn; erfolglose Abmahnungen → Entziehung bejaht.
Zahlungsverweigerung in großem Umfang: Hohe, anhaltende Hausgeldrückstände, keine Zahlungsbereitschaft → unzumutbare Belastung der Gemeinschaft.
Verweigerte Duldung: Kein Zutritt für dringend nötige Gemeinschaftsreparaturen, trotz mehrfacher Aufforderung → gravierender Pflichtverstoß.
Häufige Fehler und Missverständnisse
„Unliebsam ≠ Entziehung“: Sympathiefragen reichen nie. Es geht um objektiv schwerwiegende Pflichtverstöße.
Abmahnung vergessen: Ohne (belegte) Abmahnung ist die Klage meist verfrüht.
Beweisnot: Unvollständige Dokumentation gefährdet den Erfolg – sauber sammeln und sichern.
FAQs zu § 17 WEG
Kann die Entziehung vertraglich ausgeschlossen werden?
Nein. § 17 Abs. 3 macht den Anspruch zwingend.
Reicht ein einmaliger, schwerer Vorfall?
Nur in extremen Ausnahmefällen. Regelfall: Wiederholtes, gröbliches Verhalten trotz Abmahnung.
Muss vor der Klage immer abgemahnt werden?
Ja, regelmäßig schon – sie zeigt Unbelehrbarkeit, begründet Wiederholungsgefahr und wahrt Verhältnismäßigkeit.
Wie wird vollstreckt, wenn nicht verkauft wird?
Über die Zwangsvollstreckung bis hin zur Zwangsversteigerung nach § 17 Abs. 4 WEG.
Fazit
§ 17 WEG ist die ultima ratio zum Schutz der Gemeinschaft. Wer Entziehung durchsetzen will, braucht eine lückenlose Beweisführung, klare Beschlüsse und Geduld im Verfahren. Wer sie vermeiden will, setzt früh auf Kommunikation, Abmahnung und gerichtliche Unterlassungsansprüche – oft reicht das bereits aus.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: September 2025