§ 19 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Regelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss
Einleitung
§ 19 WEG legt fest, wie die Wohnungseigentümer Verwaltung und Benutzung des Gemeinschafts- und Sondereigentums regeln: Vorrangig durch Vereinbarung (Einstimmigkeit), ansonsten durch Mehrheitsbeschluss. Die Norm benennt zugleich, was zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung gehört – von Hausordnung über Erhaltung und Versicherung bis zu Erhaltungsrücklage, Vorschüssen und der Bestellung eines zertifizierten Verwalters.
Gesetzestext von § 19 WEG (Stand 2025)
§ 19 WEG – Regelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss
(1) Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt sind, beschließen die Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung.
(2) Zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung gehören insbesondere
1. die Aufstellung einer Hausordnung,
2. die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
3. die angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert sowie der Wohnungseigentümer gegen Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht,
4. die Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage,
5. die Festsetzung von Vorschüssen nach § 28 Absatz 1 Satz 1 sowie
6. die Bestellung eines zertifizierten Verwalters nach § 26a, es sei denn, es bestehen weniger als neun Sondereigentumsrechte, ein Wohnungseigentümer wurde zum Verwalter bestellt und weniger als ein Drittel der Wohnungseigentümer (§ 25 Absatz 2) verlangt die Bestellung eines zertifizierten Verwalters.
Kernaussagen & Systematik
- Vorrang der Vereinbarung: Bestehende Regelungen in Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung gehen vor. Fehlt oder reicht sie nicht aus, greift der Mehrheitsbeschluss nach Abs. 1.
- Ordnungsmäßige Verwaltung (Abs. 2): Umfasst Hausordnung, Erhaltung, Versicherungen, Erhaltungsrücklage, Vorschüsse (§ 28 WEG) und den zertifizierten Verwalter (§ 26a WEG).
- Schranken: Beschlüsse müssen wirtschaftlich, rechtmäßig und am Gesamtinteresse orientiert sein und dürfen Vereinbarungen/Gesetz nicht verletzen.
Die sechs Themen des § 19 Abs. 2 WEG in der Praxis
1) Hausordnung
Konkretisiert den Gebrauch (Ruhezeiten, Brandschutz, Abstellen von Gegenständen, Nutzung gemeinsamer Räume). Sie ändert nicht die Zweckbestimmung einzelner Einheiten.
2) Erhaltung des Gemeinschaftseigentums
Instandhaltung/-setzung von Dach, Fassade, Leitungen, Aufzug etc.; Verzahnung mit § 18 WEG (Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung/Benutzung) und § 20 WEG (bauliche Veränderungen).
3) Versicherungen
Regelfall: Gebäudeversicherung zum Neuwert und Haus- & Grundbesitzerhaftpflicht. Je nach Lage: Elementar, Leitungswasser, Glas; ggf. D&O für Organpersonen nach Abwägung.
4) Erhaltungsrücklage
„Angemessen“ heißt zustands- und lebenszyklusorientiert geplant; Grundlage für planbare Sanierungen und zur Vermeidung von Sonderumlagen.
5) Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG)
Hausgeld-Vorauszahlungen zur Deckung laufender Ausgaben; Beschluss über Höhe/Verteilung im Wirtschaftsplan.
6) Zertifizierter Verwalter (§ 26a WEG)
Grundsatz: Bestellung eines zertifizierten Verwalters. Ausnahme: < 9 Sondereigentumsrechte oder Eigentümer-Verwalter bestellt und < 1/3 verlangt die Zertifizierung.
Beschluss statt Vereinbarung – wann und wie?
- Wann? Bei fehlender/lückenhafter Vereinbarung.
- Wie? Formgerechte Einladung, klare Tagesordnung, präziser Beschlusstext, einfache Mehrheit (sofern kein qualifizierter Vorbehalt).
- Kontrolle: Ordnungsmäßigkeit (billiges Ermessen, Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit); sonst anfechtbar.
Praxisbeispiele
- Hausordnung: Fahrräder in Fahrradraum; Kinderwagen im EG an markierten Flächen (Brandschutz). → Zulässig, sachgerecht.
- Erhaltungsrücklage: Anhebung nach Zustandsbericht (Dach/Fassade) auf 1,20 €/m²/Monat. → Ordnungsmäßig bei tragfähiger Begründung.
- Versicherung: Gebäude-Neuwert + Haftpflicht + Elementar im Überflutungsgebiet. → Ordnungsmäßig.
- Vorschüsse: Erhöhung wegen Energiekosten und Rücklagenziel; transparente Kalkulation. → Zulässig.
- Zertifizierter Verwalter: 24 Einheiten; IHK-zertifizierter Verwalter bestellt. → Ordnungsmäßig.
Häufige Missverständnisse
- „Mehrheit darf alles.“ – Nein, Beschlüsse sind an Gesetz und Vereinbarung gebunden.
- „Hausordnung kann Nutzungszweck ändern.“ – Falsch; Zweckbestimmung bleibt unberührt.
- „Erhaltungsrücklage ist optional.“ – Nein, sie gehört ausdrücklich zur ordnungsmäßigen Verwaltung.
- „Zertifizierter Verwalter immer Pflicht.“ – Mit den in § 19 Abs. 2 Nr. 6/§ 26a genannten Ausnahmen nicht zwingend.
FAQs zu § 19 WEG
Brauchen wir Einstimmigkeit?
Nur für Vereinbarungen. Ansonsten genügt der Mehrheitsbeschluss im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Was gilt bei Kollision von Vereinbarung und Beschluss?
Die Vereinbarung geht vor; entgegenstehende Beschlüsse sind anfechtbar/nichtig.
Wie hoch ist „angemessen“ bei der Rücklage?
Objektabhängig (Alter/Zustand/Planung). Empfohlen: Lebenszyklusplanung mit regelmäßiger Fortschreibung.
Wer prüft Ordnungsmäßigkeit?
Die Versammlung durch Beschluss; im Streitfall das Gericht via Beschlussanfechtung (§ 44 WEG).
Fazit
§ 19 WEG ist die Arbeitsgrundlage für funktionierende Gemeinschaften: Er füllt Lücken per Mehrheitsbeschluss und definiert die Pflichtthemen ordnungsmäßiger Verwaltung. Klare, gut begründete und formal saubere Beschlüsse schaffen Rechtssicherheit und reduzieren Streit.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: September 2025




