§ 9a WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Gemeinschaft der Wohnungseigentümer


Einleitung

§ 9a WEG legt die rechtliche Grundlage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) fest. Er regelt, wann und wie die GdWE entsteht, welche Rechte und Pflichten sie hat, wie sie haftet und was mit ihrem Vermögen geschieht. Für Hausverwaltungen, Eigentümer und Gläubiger ist diese Vorschrift zentral, um zu verstehen, wie die Gemeinschaft als eigene Rechtseinheit handelt.

Mit der WEG-Reform 2020 wurde die GdWE ausdrücklich als rechtsfähiger Verband eigener Art (sui generis) ausgestaltet. Sie kann Eigentum erwerben, Verträge schließen, vor Gericht auftreten und haftet in einem klar geregelten Rahmen. § 9a WEG bildet damit die Basis für die tägliche Verwaltungspraxis und die rechtliche Einordnung aller gemeinschaftlichen Entscheidungen.


Gesetzestext von § 9a WEG (Stand 2025)

§ 9a WEG – Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Sie entsteht mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher; dies gilt auch im Fall des § 8 WEG. Sie führt die Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks.

(2) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.

(3) Für das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gemeinschaftsvermögen) gelten § 18, § 19 Absatz 1 und § 27 entsprechend.

(4) Jeder Wohnungseigentümer haftet einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§ 16 Absatz 1 Satz 2) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die während seiner Zugehörigkeit entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind; für die Haftung nach Veräußerung des Wohnungseigentums ist § 728b BGB entsprechend anzuwenden. Er kann gegenüber einem Gläubiger neben den in seiner Person begründeten auch die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehenden Einwendungen und Einreden geltend machen, nicht aber seine Einwendungen und Einreden gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Für die Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit ist § 770 BGB entsprechend anzuwenden.

(5) Ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen findet nicht statt.


Kernaussagen und Bedeutung von § 9a WEG

§ 9a WEG macht deutlich, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:

  • eine rechtsfähige Einheit eigener Art ist, die wie eine juristische Person handeln kann (Verträge, Eigentum, Prozessstandschaft),
  • alle Rechte und Pflichten rund um das Gemeinschaftseigentum wahrnimmt,
  • ein eigenes Gemeinschaftsvermögen besitzt,
  • eine klare Haftungsregelung gegenüber Gläubigern hat (anteilig nach MEA; Nachhaftung entsprechend § 728b BGB),
  • nicht insolvenzfähig ist – ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen ist ausgeschlossen.

1. Entstehung und Rechtsfähigkeit (Absatz 1)

Die GdWE entsteht automatisch mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher; das gilt auch, wenn Wohnungseigentum nach § 8 WEG begründet wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Gemeinschaft Verträge abschließen, Eigentum erwerben oder als Klägerin und Beklagte vor Gericht auftreten.

Praxis: Verwenden Sie in Verträgen und der Korrespondenz die offizielle Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer [Grundstücksangabe]“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft [Grundstücksangabe]“.


2. Rechte und Pflichten (Absatz 2)

Die GdWE übt die sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte aus und nimmt die korrespondierenden Pflichten wahr. Sie kann zudem Rechte einzelner Eigentümer wahrnehmen, wenn eine einheitliche Rechtsverfolgung erforderlich ist – etwa bei Mängelansprüchen am Gemeinschaftseigentum oder einheitlichen Unterlassungsansprüchen.


3. Gemeinschaftsvermögen (Absatz 3)

Zum Gemeinschaftsvermögen gehören alle Gelder und Sachwerte, die der GdWE gehören, z. B. Instandhaltungsrücklagen, gemeinschaftlich angeschaffte Geräte oder Fahrzeuge. Für dieses Vermögen gelten § 18 WEG (Verwaltung), § 19 Abs. 1 WEG (ordnungsgemäße Verwaltung) und § 27 WEG (Befugnisse des Verwalters) entsprechend.


4. Haftung der Wohnungseigentümer (Absatz 4)

Die Haftung gegenüber Gläubigern richtet sich nach dem Miteigentumsanteil (§ 16 Abs. 1 S. 2 WEG). Jeder Eigentümer haftet nur für Verbindlichkeiten, die während seiner Zugehörigkeit entstanden oder in diesem Zeitraum fällig geworden sind. Nach einem Verkauf gilt die Sonderregel des § 728b BGB entsprechend: Nachhaftung bis zu fünf Jahre für Altverbindlichkeiten. Gegenüber dem Gläubiger kann der Eigentümer auch Einwendungen der GdWE geltend machen; persönliche Einwendungen gegen die GdWE selbst greifen gegenüber dem Gläubiger nicht. Für Anfechtbarkeit und Aufrechnung gilt § 770 BGB entsprechend.


5. Keine Insolvenz des Gemeinschaftsvermögens (Absatz 5)

Ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen findet nicht statt. Wichtig in der Praxis: Gläubiger können gleichwohl in das Gemeinschaftsvermögen vollstrecken. Reicht die Liquidität nicht aus, können die Wohnungseigentümer zur Deckung beschlossener Verbindlichkeiten Sonderumlagen beschließen.


Beispiele aus der Praxis

  • Klage gegen Bauträger: Die GdWE tritt als Klägerin auf, um Mängel am Dach geltend zu machen (einheitliche Rechtsverfolgung, Abs. 2).
  • Kreditaufnahme: Die GdWE schließt einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer energetischen Sanierung ab – nur aufgrund Beschlusses der Wohnungseigentümer, vgl. § 9b Abs. 1 WEG.
  • Haftungsfall: Eine offene Handwerkerrechnung wird mangels Rücklagen per Sonderumlage gedeckt; Haftung der Eigentümer anteilig nach MEA (Abs. 4).

Häufige Missverständnisse

  • „Die GdWE ist keine eigene Rechtsperson.“ – Doch, sie ist rechtsfähig und handelt als Verband eigener Art (sui generis).
  • „Eigentümer haften wie bei einer GmbH nicht persönlich.“ – Falsch, die Haftung erfolgt anteilig nach Miteigentumsanteilen; nach Veräußerung gilt eine Nachhaftung gem. § 728b BGB.
  • „Das Gemeinschaftsvermögen kann insolvent werden.“ – Nein, ein Insolvenzverfahren ist ausgeschlossen; Vollstreckung in das Gemeinschaftsvermögen bleibt möglich.

FAQs zu § 9a WEG

Wann entsteht die GdWE?

Mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher; das gilt auch bei Begründung nach § 8 WEG.

Wer haftet für Schulden der Gemeinschaft?

Jeder Eigentümer nach Miteigentumsanteil für Verbindlichkeiten, die während seiner Zugehörigkeit entstanden oder fällig geworden sind (§ 16 Abs. 1 S. 2 WEG). Nach Verkauf gilt eine Nachhaftung von bis zu fünf Jahren (§ 728b BGB).

Kann die GdWE Kredite aufnehmen?

Ja – aber nur aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümer; vgl. § 9b Abs. 1 WEG.

Kann das Gemeinschaftsvermögen insolvent werden?

Nein, § 9a Abs. 5 WEG schließt ein Insolvenzverfahren aus. Gläubiger können aber in das Gemeinschaftsvermögen vollstrecken; bei Liquiditätslücken kommen Sonderumlagen in Betracht.

Wer ist richtige Klagepartei bei internen Streitigkeiten?

Streitigkeiten nach § 43 WEG (z. B. Anfechtung von Beschlüssen) betreffen regelmäßig die GdWE; sie kann klagen und verklagt werden (Abs. 1).


Fazit

§ 9a WEG definiert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als handlungsfähige, rechtsfähige Einheit mit klar geregelten Rechten, Pflichten und Haftungsstrukturen. Für die tägliche Verwaltungspraxis ist er unverzichtbar: Er sorgt für Rechtssicherheit gegenüber Dritten und klare Verantwortlichkeiten innerhalb der Gemeinschaft.

Im nächsten Artikel folgt § 9b WEG – Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere zur gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Verwalters und zu Sonderfällen ohne bestellten Verwalter.

Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: August 2025