§ 20 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Bauliche Veränderungen

(Mit aktueller Rechtsprechung zu privilegierten baulichen Veränderungen wie Steckersolargeräten)


Einleitung

Die bauliche Veränderung war lange einer der streitträchtigsten Bereiche im Wohnungseigentumsrecht. Was darf ein einzelner Eigentümer ändern? Muss die Gemeinschaft zustimmen? Was gilt für Modernisierungen, Barrierefreiheit oder E-Ladestationen?

Mit der WEG-Reform 2020 hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen. § 20 WEG regelt nun die baulichen Veränderungen umfassend. Besonders wichtig: Bestimmte Maßnahmen wie Steckersolargeräte oder Lademöglichkeiten für E-Autos sind nun privilegiert – jeder Eigentümer hat darauf einen Anspruch.

Dieser Artikel zeigt, welche baulichen Veränderungen möglich sind, was privilegiert ist, wie abgestimmt wird und wo die Grenzen liegen.


Gesetzestext von § 20 WEG (Stand 2024)

§ 20 WEG – Bauliche Veränderungen

(1) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die

1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,

2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,

3. dem Einbruchschutz oder

4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität (z. B. Glasfaser),

5. dem Betrieb von Steckersolargeräten

dienen.

(3) Über bauliche Veränderungen beschließen die Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit.


1. Was ist eine bauliche Veränderung?

Eine bauliche Veränderung liegt vor, wenn das Gemeinschaftseigentum baulich umgestaltet wird und dadurch eine optische, technische oder funktionale Änderung eintritt.

Beispiele:

  • Einbau einer Rampe statt Treppenstufe

  • Installation einer Wallbox (Ladestation)

  • Anbringen eines Balkonkraftwerks (Steckersolargerät)

  • Einbau neuer Fenster mit anderer Optik

Nicht als bauliche Veränderung gelten Reparaturen oder Instandhaltungen, sofern sie keine wesentliche Änderung darstellen.


2. Privilegierte bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG

Manche baulichen Veränderungen darf ein Eigentümer auch ohne Zustimmung der anderen verlangen. Voraussetzung: Die Maßnahme ist angemessen und dient einem der gesetzlich genannten Zwecke.

Diese Maßnahmen sind privilegiert:

  • Barrierefreiheit (z. B. Treppenlifte, Rampen)

  • Einbruchschutz (z. B. Panzerriegel, Kameraanlage)

  • Ladestation für Elektroautos (z. B. Wallbox in TG)

  • Glasfaseranschluss

  • Steckersolargerät (Balkonkraftwerk!)

Die Gemeinschaft muss diese Maßnahme zulassen, kann aber Details (z. B. Optik, Sicherheit) mitbestimmen. Sie darf den Antrag nicht grundlos ablehnen.

Rechtsprechung:

  • LG München I, Urteil vom 08.12.2023, 36 S 3732/23 WEG: Anspruch auf Anbringung eines Steckersolargeräts, wenn baulich möglich.

  • AG Konstanz, Urteil vom 06.07.2023, 4 C 31/23 WEG: Optik darf reglementiert werden, nicht aber grundsätzliche Nutzung.


3. Nicht privilegierte Maßnahmen (§ 20 Abs. 1 und 3 WEG)

Andere bauliche Veränderungen benötigen weiterhin einen Beschluss mit einfacher Mehrheit. Dazu zählen z. B.:

  • Anbringung einer Markise mit Sonderfarbe

  • Verlegung einer Terrasse auf Gemeinschaftsfläche

  • Aufstellen eines Gartenhauses

Ein Eigentümer kann diese Maßnahmen nur verlangen, wenn die anderen zustimmen oder ein Beschluss vorliegt. Ohne Zustimmung: keine bauliche Veränderung.


4. Grenzen und Rücksichtnahme

Auch privilegierte Maßnahmen müssen verhältnismäßig und rücksichtsvoll sein:

  • Keine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Eigentümer

  • Einhaltung von Brandschutz, Statik und Bauvorschriften

  • Einheitliches Erscheinungsbild darf angemessen geschützt werden

Die Gemeinschaft darf Vorgaben zur konkreten Umsetzung machen (z. B. Farbwahl, Verlegeart), solange sie die Nutzung nicht faktisch vereitelt.


Häufige Missverständnisse

  • „Ich brauche keine Zustimmung.“ → Nur bei privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2.

  • „Mehrheit reicht immer.“ → Nur bei Abs. 3; bei Abs. 1 ist Zustimmung aller erforderlich.

  • „Ich kann einfach loslegen.“ → Nein. Immer Antrag stellen und ggf. Klärung abwarten.

  • „Steckersolar darf verboten werden.“ → Nein. Anspruch besteht, sofern keine gravierenden Nachteile entstehen.


FAQs zu § 20 WEG

Kann ich ein Steckersolargerät einfach montieren?

Nein. Antrag bei der WEG stellen. Anspruch besteht, aber Umsetzung muss abgestimmt sein.

Darf die WEG eine privilegierte Maßnahme verbieten?

Nur bei objektiven Hinderungsgründen (z. B. Statik, Brandschutz).

Welche Mehrheit ist für „normale“ bauliche Veränderungen erforderlich?

Einfache Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Eigentümer.

Was ist mit Altanlagen ohne Beschluss?

Oft formell rechtswidrig. Bestandsschutz möglich, aber angreifbar.


Fazit

§ 20 WEG ist das neue Kernstück für bauliche Veränderungen im Gemeinschaftseigentum. Besonders mit den privilegierten Maßnahmen (E-Mobilität, Einbruchschutz, Steckersolargeräte) erhält der einzelne Eigentümer mehr Rechte. Gleichwohl bleibt der Interessenausgleich mit der Gemeinschaft wichtig. Antragstellung, sachliche Begründung und rücksichtsvolle Umsetzung sind die Schlüssel zum Erfolg.

Im nächsten Beitrag folgt § 21 WEG – Kostenverteilung bei baulichen Veränderungen, der die Frage regelt, wer was bezahlen muss.


Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: September 2025