§ 9b WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Vertretung
Einleitung
§ 9b WEG regelt, wer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) nach außen vertritt und wie die Innenvertretung gegenüber dem Verwalter funktioniert. Seit der WEMoG-Reform (01.12.2020) ist klar: Grundsätzlich vertritt der bestellte Verwalter die GdWE gerichtlich und außergerichtlich. Für besonders weitreichende Geschäfte (Grundstückskauf, Darlehen) ist jedoch zwingend ein Eigentümerbeschluss erforderlich. Fehlt ein Verwalter, handeln die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich. Beschränkungen der Vertretungsmacht wirken gegenüber Dritten nicht.
Gesetzestext von § 9b WEG (Stand 2025)
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam.
(2) Dem Verwalter gegenüber vertritt der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats oder ein durch Beschluss dazu ermächtigter Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
1. Bedeutung und Zielsetzung von § 9b WEG
§ 9b WEG sorgt für Rechtssicherheit im Außenverhältnis der GdWE. Er ergänzt die in § 9a WEG geregelte Rechtsfähigkeit der GdWE und schafft klare Zuständigkeiten für Verträge, Behördenkontakte und Gerichtsverfahren. Im Innenverhältnis verhindert Abs. 2 „Insichgeschäfte“, indem Erklärungen gegenüber dem Verwalter von der GdWE über den Beirat oder einen ermächtigten Eigentümer abgegeben werden.
2. Vertretung durch den Verwalter (§ 9b Abs. 1 S. 1 WEG)
Der Regelfall: Der bestellte Verwalter vertritt die GdWE gerichtlich und außergerichtlich. Dazu zählen der Abschluss laufender Verträge (z. B. Wartung, Versicherungen, Bauaufträge), die Prozessführung (mit anwaltlicher Vertretung, wo erforderlich) und der Auftritt gegenüber Behörden. Der Verwalter handelt dabei im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 19 WEG) und seiner Aufgaben nach § 27 WEG.
3. Beschlussvorbehalt: Grundstückskauf & Darlehen
Für Grundstückskaufverträge und Darlehensverträge verlangt § 9b Abs. 1 S. 1 WEG zwingend einen Eigentümerbeschluss. Das dient dem Schutz vor weitreichenden finanziellen Bindungen. Tipp für die Praxis: Beschlüsse sollten Gegenstand, Volumen, Konditionen, Laufzeit und die Bevollmächtigung (Unterzeichnung „im Namen der GdWE“) ausdrücklich benennen.
4. Sonderfall: Kein Verwalter bestellt (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG)
Ist kein Verwalter bestellt (Niederlegung, Abberufung, Vakanz), wird die GdWE gemeinschaftlich vertreten. In der Praxis bedeutet das erhöhte Abstimmungs- und Vollmachtserfordernisse und damit einen möglichen Handlungsstillstand. Empfehlung: zügige Bestellung eines Verwalters; nötigenfalls gerichtliche Durchsetzung der Bestellung im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren (§ 44 WEG).
5. Unwirksamkeit interner Beschränkungen (§ 9b Abs. 1 S. 3 WEG)
Vertragliche oder beschlussmäßige Beschränkungen der Vertretungsmacht (z. B. Betragsgrenzen im Verwaltervertrag) sind Dritten gegenüber unwirksam. Sie binden nur intern. Konsequenz: Gute externe Partner können sich grundsätzlich auf die Vertretung des Verwalters verlassen. Für die GdWE bleibt die Möglichkeit, intern bei Verstößen gegen Vorgaben regressrechtlich vorzugehen.
6. Innenvertretung gegenüber dem Verwalter (§ 9b Abs. 2 WEG)
Erklärungen gegenüber dem Verwalter (z. B. Abmahnung, Kündigung oder Vergütungsanpassung) gibt die GdWE wirksam durch den Beiratsvorsitzenden oder einen per Beschluss ermächtigten Eigentümer ab. So wird verhindert, dass der Verwalter sich selbst rechtswirksam gegenübertritt. Fehlt ein Beirat, genügt die Ermächtigung durch Beschluss.
7. Praxisrelevanz & typische Fallstricke
- Vertretungsnachweis: Viele Vertragspartner verlangen einen Nachweis (Bestellungsbeschluss/Protokollauszug). Praktisch: „GdWE [Adresse/Grundstück], vertreten durch den Verwalter [Firma/Name], handelnd durch [Zeichnungsbefugte/r]“.
- Kenntniszurechnung: Wissen des Vertreters wird der GdWE zugerechnet (§ 166 BGB). Daher Posteingang & Fristenmanagement sauber organisieren.
- Prozesshandlung: Der Verwalter kann Klagen für die GdWE erheben/abwehren; Beschluss zur Klageerhebung/vergleichsweiser Erledigung ist aus Praktikabilität meist sinnvoll (Kostenrisiko, Legitimationsklarheit).
- Verträge zwischen GdWE und Verwalter: Abschluss/Kündigung durch Beirat bzw. ermächtigten Eigentümer (Abs. 2) – nicht vom Verwalter selbst unterschreiben lassen.
- Vakanz minimieren: Bei absehbarem Ende der Amtszeit rechtzeitig TOP „Bestellung Verwalter“ einplanen, damit keine Vertretungslücke entsteht.
8. Häufige Missverständnisse
- „Der Verwaltungsbeirat vertritt immer nach außen.“ – Falsch. Außenvertretung ist Sache des Verwalters; der Beirat nur im Verhältnis gegenüber dem Verwalter oder mit besonderer Ermächtigung.
- „Interne Betragsgrenzen blockieren Dritte.“ – Falsch. Interne Limits binden nur intern; Dritte dürfen auf die Vertretungsmacht vertrauen.
- „Ohne Verwalter kann jeder Eigentümer allein handeln.“ – Falsch. Es gilt die gemeinschaftliche Vertretung oder eine Vollmacht/Ermächtigung.
9. FAQs zu § 9b WEG
Wer vertritt die GdWE, wenn der Verwalter im Urlaub ist?
Die Vertretungsmacht besteht fort; der Verwalter kann intern eine Vertretung regeln. Nach außen bleibt die Vertretung durch den Verwalter wirksam.
Benötigt jede Klage einen Beschluss?
Nicht zwingend gesetzlich vorgeschrieben, aber empfohlen (Klarheit zu Streitgegenstand, Kostenrisiko, Beauftragung der Anwaltskanzlei).
Muss ein Beschluss notariell beurkundet werden?
Nur bei grundbuchrelevanten Rechtsgeschäften (z. B. Grundstückserwerb). Bei Darlehen genügt der Beschluss in Textform; der Darlehensvertrag selbst folgt den banküblichen Formerfordernissen.
Kann die GdWE ohne Verwalter Verträge schließen?
Ja, aber nur gemeinschaftlich (ggf. mit Vollmacht). Das ist organisatorisch aufwändig – deshalb möglichst schnell neuen Verwalter bestellen.
Darf der Verwalter ohne Beschluss ein Darlehen aufnehmen?
Nein. Für Darlehen und Grundstückskauf ist ein Eigentümerbeschluss zwingend (§ 9b Abs. 1 S. 1 WEG).
10. Praxisbausteine
Muster-Beschluss Darlehen (Kurzfassung):
„Die GdWE beschließt die Aufnahme eines Darlehens über [Betrag] € bei [Bank] zu folgenden Eckdaten: Laufzeit [x] Jahre, Sollzins [x] % p. a., Auszahlung bis [Datum]. Der Verwalter wird ermächtigt, den Darlehensvertrag im Namen der GdWE zu den genannten Konditionen abzuschließen, notwendige Erklärungen abzugeben und Sicherheiten zu bestellen.“
Empfohlene Signaturformel:
„Gemeinschaft der Wohnungseigentümer [Adresse/Grundstück], vertreten durch den Verwalter [Firma/Name], handelnd durch [Zeichnungsberechtigte/r].“
Fazit
§ 9b WEG schafft klare Strukturen für die Vertretung der GdWE: Außen handelt der Verwalter (mit Beschlussvorbehalt für Grundstückskauf/Darlehen), innen agiert gegenüber dem Verwalter der Beiratsvorsitzende oder ein ermächtigter Eigentümer. Interne Limits schützen nach außen nicht – sie wirken nur intern. Für die Praxis heißt das: rechtzeitig Beschlüsse fassen, Vertretungsnachweise bereithalten und Vertretungslücken vermeiden.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH – Stand: August 2025