Grundsteuerreform 2025: Hebesätze deutlich erhöht


Einleitung

Ab dem Veranlagungsjahr 2025 greift die Grundsteuerreform in der Fläche. Die neue Bemessungsgrundlage trifft auf kommunale Hebesätze, die in vielen Städten bereits 2023/2024 angehoben wurden. Für Eigentümer, Vermieter, Mieter und GdWE bedeutet das: höhere Planungsanforderungen, spürbare budgetäre Effekte und gesteigerter Prüfaufwand bei Bescheiden. Dieser Beitrag ordnet die Reform, erklärt die Mechanik aus Grundsteuerwert, Steuermesszahl und Hebesatz, zeigt typische Rechenwege und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftsplanung in WEGs.


Warum die Grundsteuerreform notwendig wurde

Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 die bisherigen Einheitswerte als verfassungswidrig verworfen. Die Politik reagierte mit dem Grundsteuer-Reformgesetz und einem neuen Bewertungssystem für Grundstücke und Gebäude. Ziel war eine verfassungskonforme, regelmäßige Aktualisierung der Werte und eine gerechtere Verteilung der Steuerlast. Die Umsetzung erfolgt seit 2022/2023 durch Feststellungserklärungen und Grundsteuerwertbescheide. Ab 2025 werden die festgestellten Werte flächendeckend für die Grundsteuer herangezogen.


Bausteine der Grundsteuer: Wert, Messzahl, Hebesatz

1) Grundsteuerwert: Ermittelt vom Finanzamt nach Bundes- oder Landesmodell. Grundlage sind objektspezifische Daten wie Flächen, Baujahre, Bodenrichtwerte und in manchen Modellen pauschalierte Nettokaltmieten.

2) Steuermesszahl: Ein bundesgesetzlich festgelegter Prozentsatz (stark abgesenkt gegenüber dem alten Recht), der den Grundsteuerwert in den Steuermessbetrag überführt. Für Wohnnutzung existieren teilweise Entlastungen.

3) Hebesatz: Kommunaler Multiplikator in Prozent. Jede Gemeinde beschließt jährlich den Hebesatz im Rahmen ihrer Haushaltssatzung. Er ist der zentrale Stellhebel für die Höhe der endgültigen Grundsteuer.

Formel vereinfacht: Grundsteuer = Grundsteuerwert × Steuermesszahl × Hebesatz. Änderungen an einem der drei Glieder wirken direkt auf das Ergebnis. Für 2025 ist der Hebesatz die am stärksten politisch steuerbare Größe vor Ort.


Bundesmodell und Ländermodelle im Überblick

Deutschland nutzt ein föderales Nebeneinander von Bewertungsmodellen:

  • Bundesmodell: Gilt in den meisten Ländern. Bewertet Boden mit Bodenrichtwerten und Gebäude mit typisierten Ertrags- bzw. Sachwertparametern.

  • Ländermodelle: Baden-Württemberg (modifiziertes Bodenwertmodell), Bayern (reines Flächenmodell mit Hebesatzanpassung), Hessen, Hamburg, Niedersachsen u. a. mit eigenen Varianten. Die Unterschiede erklären, warum identische Objekte in verschiedenen Ländern unterschiedliche Grundsteuerbelastungen sehen, selbst bei gleichen Hebesätzen.

Für die Praxis heißt das: Vergleichsrechnungen zwischen Bundesländern sind ohne Modellsicht wertlos. Innerhalb einer Stadt ist der Hebesatz der Hebel, zwischen Städten dominieren Modell und Hebesatz gemeinsam.


Hebesatz-Entwicklung: Trend ansteigend

Viele Kommunen haben mit Blick auf 2025 ihre Hebesätze erhöht. Gründe sind u. a. Konsolidierung kommunaler Haushalte, Änderungen im Finanzausgleich (Nivellierungshebesätze) und der Wunsch, das Aufkommen trotz neuer Bewertungslogik zu sichern. Die Streuung ist erheblich: Von moderaten Anhebungen bis zu sehr hohen Hebesätzen in strukturell belasteten Kommunen reicht das Spektrum. Für Eigentümer zählt weniger der „Bundesdurchschnitt“ als vielmehr der konkrete Hebesatz der eigenen Gemeinde 2025.


Was steigt eigentlich? Aufkommensneutralität vs. Realität

Politisch wurde „Aufkommensneutralität“ als Ziel formuliert. Das bedeutet nicht Preisneutralität für den Einzelnen, sondern lediglich, dass das gesamte Steueraufkommen in einer Kommune idealerweise konstant bleibt. Individuell kann es zu deutlichen Mehr- oder Minderbelastungen kommen, wenn Objektkennzahlen (z. B. Bodenrichtwert, Nutzungsart, Fläche) vom kommunalen Durchschnitt abweichen. Deshalb sehen wir parallel: manche Bescheide fallen trotz höherer Hebesätze moderat aus, andere steigen deutlich.


Rechenwege: So lesen Sie Ihren Bescheid

Die finale Grundsteuer setzt sich aus mehreren Bescheiden zusammen, meist in dieser Reihenfolge:

  1. Grundsteuerwertbescheid des Finanzamts: Bestätigt die Objekt- und Bewertungsdaten. Prüfen Sie Flächen, Baujahre, Grundstücksanteile, Nutzung. Fehler hier wirken durch bis zur Grundsteuer.

  2. Steuermessbescheid: Wendet die Steuermesszahl an. Kontrolle: Nutzungsart richtig? Ermäßigungen korrekt?

  3. Hebesatz der Kommune: Multipliziert den Messbetrag. Der endgültige Grundsteuerbescheid kommt in der Regel von der Kommune. Prüfen Sie, ob der richtige Hebesatz angewandt wurde.

Praxis-Tipp: Für WEGs lohnt ein Standardprüfschema: (1) Datenblatt pro Einheit, (2) Summenabgleich zum Gebäude, (3) Messbeträge mit Hebesatz multiplizieren, (4) Plausibilität mit Vorjahreslast und Flächen vergleichen.


Auswirkungen auf WEGs und Hausverwaltungen

Wirtschaftsplan: Steigende Hebesätze erfordern die Anpassung der Position „öffentliche Lasten“ im Wirtschaftsplan. Prüfen Sie die Beschlusslage für eine unterjährige Anpassung der Vorschüsse, wenn die Liquidität sonst nicht ausreicht.

Abrechnung: In vermieteten Einheiten ist die Grundsteuer typischerweise umlagefähig (Betriebskostenposition), sofern der Mietvertrag die Umlage vorsieht. In WEGs verteilt sich die Last gemäß Teilungserklärung und Beschlüssen. Abweichungen bei Sondernutzungsflächen, Teileigentum oder abweichenden Verteilungsschlüsseln sind zu beachten.

Liquiditätssteuerung: Bei starken Hebesatzsprüngen droht eine Liquiditätslücke. Kurzfristig helfen angepasste Vorschüsse oder Sonderumlagen, mittelfristig eine präzisere Budgetierung mit aktueller Hebesatz- und Wertedatenbasis.

Kommunikation: Eigentümer erwarten Erklärungen. Visualisieren Sie den Effekt aus Wert vs. Hebesatz getrennt, um die Ursache steigender Beträge nachvollziehbar zu machen.


Regionale Besonderheiten: Baden-Württemberg und die Region Bodensee–Oberschwaben

Baden-Württemberg verwendet das modifizierte Bodenwertmodell. Für viele Objekte in Lagen mit dynamischen Bodenrichtwerten bedeutet das eine höhere Sensitivität bei der Bewertung. Kommunale Hebesatzpolitik bleibt der dominierende Faktor für die endgültige Steuer. In der Praxis zeigt sich: selbst Nachbarkommunen mit ähnlicher Struktur treiben die Grundsteuer sehr unterschiedlich, weil Haushaltssituation, Investitionsbedarf und Finanzausgleich variieren.


Typische Fehlerquellen in Bescheiden

  • Flächenabweichungen: Wohnflächen und Nutzflächen sind verwechselt oder veraltet.

  • Nutzungsart falsch: Teileigentum als Wohnen klassifiziert oder umgekehrt.

  • Gemeinschaftsflächen: Zuordnung in der Bewertung nicht nachvollziehbar dokumentiert.

  • Bodenrichtwert: Falscher Richtwertjahrgang oder Zonenwechsel nicht berücksichtigt.

Handlungsregel: Fehler frühzeitig rügen. Fristen laufen je Bescheid eigenständig. Ein korrigierter Grundsteuerwert „heilt“ spätere Stufen, aber nicht umgekehrt.


Was die Hebesatzpolitik für 2025/2026 bedeutet

Viele Kommunen haben für 2025 bereits nachgeschärft. Ob 2026 weitere Schritte folgen, hängt von Haushaltslage, Aufkommensentwicklung nach der Reform und politischen Prioritäten ab. Eigentümer sollten mit Volatilität rechnen: sinkende Hebesätze sind möglich, wenn das Aufkommen höher als geplant ausfällt, ebenso weitere Anhebungen bei Defiziten. Für GdWE empfiehlt sich eine sensitivitätsbasierte Planung mit +/–Szenarien, um Nachfinanzierungen zu vermeiden.


Rechenbeispiel für die Praxis

Beispielhaft, vereinfachte Annahmen.

Ausgangsdaten: Mehrfamilienhaus, Grundsteuerwert 2.000.000 €, überwiegend Wohnen. Steuermesszahl pauschalisiert 0,031 %. Kommunaler Hebesatz 600 %.

Messbetrag: 2.000.000 € × 0,00031 = 620 €.

Grundsteuer: 620 € × 600 % = 3.720 € p. a.

Erhöht die Kommune den Hebesatz um 50 Punkte auf 650 %, ergibt sich 620 € × 650 % = 4.030 € p. a. Delta: +310 € pro Jahr. In einer 10-Einheiten-WEG sind das im Mittel +31 € pro Einheit, verteilt nach Maßgabe der Gemeinschaftsordnung.


Handlungsempfehlungen für Eigentümer und Verwalter

  • Bescheide strukturiert prüfen: Checkliste anlegen, Datenfelder abhaken, Fristen kalendarisch sichern.

  • Hebesatzmonitoring: Ratssitzungen, Haushaltssatzungen und Pressemitteilungen der Kommune verfolgen. Hebesatzänderungen früh in die Wirtschaftsplanung einarbeiten.

  • Kommunikation vorbereiten: Einseitige „Aufkommensneutralität“-Erwartungen adressieren und anhand der Formel Wert–Messzahl–Hebesatz erklären.

  • Risikopuffer bilden: Bei unsicheren Hebesätzen 2025/2026 eine Sicherheitsmarge vorsehen, um Sonderumlagen zu vermeiden.

  • Mietverträge prüfen: Umlagefähigkeit der Grundsteuer vertraglich korrekt geregelt? Indexmiete vs. Betriebskostenumlage beachten.

  • Dokumentation: Alle Datenstände, Schreiben und Rechtsbehelfe versionssicher ablegen. Für WEGs empfiehlt sich eine Objektakte „Grundsteuer“ mit Register für Wert, Messbetrag, Hebesatz und Bescheide.


Missverständnisse und Klarstellungen

  • „Die Reform erhöht überall die Steuer“: Falsch. Sie verteilt neu. Manche zahlen weniger, andere mehr.

  • „Hebesatz = Willkür“: Nein. Er ist kommunalpolitisch legitimiert und an Haushaltsziele gebunden, variiert aber stark.

  • „Bescheide kann man später korrigieren“: Nur innerhalb der jeweiligen Fristen. Versäumte Rechtsbehelfe sind regelmäßig verloren.

  • „Das Bundesmodell gilt überall“: Nein. Mehrere Länder nutzen eigene Modelle mit teils deutlich anderer Logik.


FAQ

  • Ab wann wirkt die Reform? Veranlagungszeitraum 2025. Feststellungs- und Messbescheide liefen vorab.

  • Kann der Hebesatz 2026 sinken? Ja, wenn das Aufkommen 2025 über Ziel lag. Entscheidung der Kommune.

  • Wie schnell muss ich widersprechen? Frist steht im jeweiligen Bescheid. Üblich sind 1 Monat nach Bekanntgabe. Fristen je Bescheidstufe beachten.

  • Wer trägt die Mehrbelastung in der WEG? Verteilung nach Gemeinschaftsordnung. In Mietverhältnissen regelmäßig als Betriebskosten umlagefähig, sofern vertraglich vereinbart.

  • Wie finde ich den aktuellen Hebesatz? Haushaltssatzung/Steuersatzung der Gemeinde, Ratsinformationssystem, amtliche Bekanntmachungen.


Fazit

Die Grundsteuerreform 2025 ist in der Umsetzung angekommen. Entscheidend für die individuelle Belastung sind korrekte Objektdaten, das angewandte Bewertungsmodell und der aktuelle kommunale Hebesatz. Für Eigentümer und WEGs gilt: Bescheide systematisch prüfen, Hebesatzentwicklungen eng begleiten und die Wirtschaftsplanung dynamisch anpassen. Wer Datenqualität, Fristenmanagement und transparente Kommunikation beherrscht, minimiert finanzielle Überraschungen und hält die Liquidität der Gemeinschaft stabil.


Aktualisiert am 13.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH