Modernisierungsankündigung: Inhalt, Timing, Rechte und Pflichten – Leitfaden mit Update 2025
Ursprünglicher Kern (Dezember 2021): Das LG Berlin (01.09.2020 – 67 S 108/20) wertete eine 16 Monate vor Baubeginn versandte Modernisierungsankündigung als rechtsmissbräuchlich. Eine so frühe Ankündigung begründet keine durchsetzbaren Duldungsansprüche, weil sie das Sonderkündigungsrecht (§ 555e BGB) aushöhlt und Härtefalleinwände (§ 555d BGB) erschwert; der Vermieter muss zeitnah vor Beginn neu ankündigen.
Systematik: Die formelle Modernisierungsankündigung ist in Textform zuzustellen und muss dem Mieter spätestens drei Monate vor Baubeginn zugehen (§ 555c Abs. 1 BGB). Früh informieren ja, formell ankündigen erst, wenn alle Pflichtangaben belastbar sind.
Pflichtangaben nach § 555c Abs. 1 BGB:
– Art und Umfang je Gewerk/Raum, keine Sammelbegriffe.
– Beginn und Dauer (Monat/KW, Abschnittsfolge, Bandbreite begründen).
– Voraussichtliche Mieterhöhung gem. § 559 BGB (Gesamtkosten, Instandhaltungsabzug, umlagefähiger Anteil, 8 % p. a., Betrag je m², Kappungsgrenze § 559 Abs. 3a).
– Voraussichtliche Betriebskosteneffekte (z. B. Heizkosten ↓, Wartung ↑).
– Rechtsbelehrung zu Härte (§ 555d), Sonderkündigung (§ 555e), Mietminderung (§ 536; bei energetischer Modernisierung 3-Monats-Ausschluss § 536 Abs. 1a).
Form und Zugang:
– Textform genügt (Brief, E-Mail), Absender klar.
– Zugang beweisen (Einwurfprotokoll/Bote/Einschreiben); ohne Zugang läuft die Frist nicht.
– Sinnvolle Anlagen: Ablauf-/Terminpläne, Lärm-/Staubphasen, Ersatzdusche/WC, Arbeitszeiten, Ansprechpartner, Notfallnummer.
Abgrenzung:
– Instandhaltung (§ 555a) erhält den Zustand; keine Umlage nach § 559.
– Modernisierung (§ 555b) erhöht Gebrauchswert oder spart Energie/Wasser; kann nach § 559 umgelegt werden.
– Gemischte Maßnahmen: Instandhaltungsanteil herausrechnen und erläutern. – Bagatellfälle (§ 555c Abs. 4) eng verstehen.
Timing:
– Informationsphase 6–12 Monate vor Start: Vorabinfo ohne § 555c-Fristen.
– Formelle Ankündigung 3–6 Monate vor Start: belastbare Daten, konkrete Termine/Kosten.
– Wesentliche Verschiebung: Ergänzungs- oder Neuankündigung.
Rechte des Mieters:
– Härteeinwand (§ 555d): persönliche/wirtschaftliche/soziale Gründe bis Ende des Folgemonats nach Zugang, mit Belegen.
– Sonderkündigung (§ 555e): bis Ende des Folgemonats außerordentlich zum Ende des übernächsten Monats.
– Mietminderung (§ 536): während Bau üblich; bei energetischer Modernisierung in den ersten 3 Monaten ausgeschlossen (§ 536 Abs. 1a); Schadens-/Aufwendungsersatz bei mangelhafter Organisation möglich.
Pflichten des Mieters:
– Rechtmäßige Maßnahmen dulden (§ 555d Abs. 1), Zutritt ermöglichen, zumutbare Mitwirkung.
– Härtegründe fristgerecht und substantiiert vortragen.
Pflichten des Vermieters:
– Ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung mit allen Pflichtangaben.
– Baustellenorganisation (Lärm/Staub/Fluchtwege, Reinigung, Sicherheit).
– Sozialmanagement (Ersatzduschen/WC, Zeitfenster, Kontaktstelle).
– Kostenklarheit inkl. Instandhaltungsabzug.
– Härtefälle ernsthaft prüfen und Lösungen anbieten.
Modernisierungsumlage (§ 559 BGB):
– 8 % der ansetzbaren Kosten p. a. auf die Wohnung, Monatsmiete entsprechend erhöhen.
– Deckel: in 6 Jahren max. 2 €/m² bzw. 3 €/m² (§ 559 Abs. 3a).
– Vereinfachtes Verfahren möglich; endgültige Erhöhung später formgerecht (§ 559b).
Typische Fehler:
– Zu frühe/vage Ankündigung → Risiko Rechtsmissbrauch/Unwirksamkeit.
– Fehlende Pflichtangaben (Beginn, Dauer, Kosten, BK-Effekt).
– Keine Kostenaufteilung bei Mischvorhaben.
– Kein Zugangsnachweis.
– Generische Standardtexte ohne Objektbezug.
Best-Practice-Ablauf:
– Vorbereitung: Technik, Kosten, Genehmigungen, Fördermittel, Abgrenzung Modernisierung/Instandhaltung.
– Information: Infoabend/FAQ, Bedarfserhebung, aber ohne § 555c-Friststart.
– Formelle Ankündigung: Textform, Wohnungsspezifik, Terminband, Handwerkerliste, Kontakt; Zugang belegen.
– Härte/Sonderkündigung: fristnah prüfen, dokumentieren, Lösungen vereinbaren.
– Ausführung: Termin pro Wohnung, Schlüssel-/Foto-Protokolle, QS, Mängelmanagement.
– Nachlauf: formgerechte Modernisierungsmieterhöhung, transparente Berechnung.
Vorlage – Auszug Modernisierungsankündigung:
– „Gemäß § 555c BGB kündigen wir folgende Modernisierungsmaßnamen in Ihrer Wohnung [Adresse/Lage] an: Art/Umfang (z. B. 3-fach-Fenster, Dämmung Leitungen, hydraulischer Abgleich, dezentrale Lüfter); Beginn/Dauer (Haus A ab KW 16, Ihre Wohnung voraussichtlich [Datum], Dauer je Raum [..] Stunden); Organisation (Arbeitszeiten, Staubschutz, Ersatzdusche); Kosten/Mieterhöhung (Gesamt, Instandhaltungsabzug, umlagefähig, erwartete Erhöhung €/m², Kappungsgrenze § 559 Abs. 3a, BK-Effekt); Rechte (Härte § 555d bis [Fristdatum], Sonderkündigung § 555e; Hinweis § 536 Abs. 1a). Bauleitung/Kontakt: […].“
Vorlage – Auszug Härteeinwand:
– „Hiermit mache ich gemäß § 555d BGB Härtegründe geltend: […]. Belege anbei. Ich beantrage Verschiebung auf […], hilfsweise Durchführung mit folgenden Anpassungen: […].“
Energetische Maßnahmen/Heizung:
– Ziele messbar benennen (kWh-Reduktion, Effizienzklasse, hydraulischer Abgleich).
– Einweisung/Bedienhinweise ankündigen.
– Lieferzeiten realistisch planen; bei Verzögerung rechtzeitig ergänzend ankündigen; Hinweis auf § 536 Abs. 1a BGB aufnehmen.
WEG-Bezug:
– WEG-Beschlusslage zu Gemeinschaftseigentum ist Voraussetzung; Zeitpläne synchronisieren.
– Schnittstellen (Fenster, Steigstränge) sauber zuordnen; Kommunikation Verwaltung–Eigentümer–Mieter; Datenschutz beachten.
Durchsetzung:
– Verweigert der Mieter trotz ordnungsgemäßer Ankündigung, bleibt die Duldungsklage. Vorher gütliche Lösungen suchen. Bei verfrühter/unvollständiger Ankündigung neu ankündigen statt retten.
Seit 2021 in der Praxis:
– Gerichte verlangen konkrete Angaben und sanktionieren Überankündigungen.
– Textform per E-Mail üblich, Zugangsnachweis entscheidend.
– Kostenvolatilität rechtfertigt Bandbreiten, wenn plausibel und später aktualisiert.
– Sozialstandards (Ersatzangebote, Ruhezeiten) gewinnen an Gewicht.
Quintessenz: Die Modernisierungsankündigung ist Fundament für Baustart, Duldung und Umlage. Erfolg durch korrektes Timing, vollständige Information, saubere Kostentrennung, belegbaren Zugang und professionelles Härtemanagement. Überfrühe, vage Schreiben kosten Zeit und Prozesse.
Ursprünglicher Artikel: Dezember 2021 · Aktualisiert am 13.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH