Schadensersatzanspruch nach Mietende bei Substanzeingriffen (z. B. Dübellöcher)
Leitsatz
Nach Mietende muss der Mieter Substanzeingriffe wie Dübellöcher fachgerecht verschließen oder Schadensersatz leisten. Das gilt auch, wenn keine wirksame Pflicht zu Schönheitsreparaturen besteht. So entschied das LG Wuppertal mit Urteil vom 16.07.2020 (9 S 18/20).
Kerndaten des Falls
- Mietdauer: 12 Jahre.
- Vertragliche Ergänzung: „Bei Auszug weiß gestrichen zurückzugeben.“
- Rückgabezustand: Kräftige (Latex-)Farben, zahlreiche Bohrungen, Heißkleberpunkte.
- Vermietermaßnahmen: Fristsetzung, danach Malerarbeiten (~1.700 €); Aufrechnung mit Kaution.
- Ergebnis: Amtsgericht wies Klage der Mieter ab; Landgericht bestätigte teilweise und bejahte Schadensersatz wegen Substanzeingriffen.
Rechtsgrundlagen
- § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung.
- § 281 Abs. 1 BGB – Schadensersatz statt der Leistung nach Fristsetzung.
- § 535 BGB – Pflichten des Mieters zur schonenden Behandlung.
Entscheidung und Begründung
Schadensersatz trotz unwirksamer Schönheitsreparaturklausel
Die formularmäßige Pflicht „weiß gestrichen zurückzugeben“ ist unwirksam. Dennoch haftet der Mieter für Substanzverletzungen (z. B. 126 Dübellöcher, Heißkleberpunkte, deckkraftkritische Latexbeschichtungen), weil er den vertragsgemäßen Zustand bei Auszug nicht wiederhergestellt hat. Anspruchsgrundlage: §§ 280, 281 BGB nach erfolgloser Fristsetzung.
Dübeln erlaubt, aber Rückbau geschuldet
Bohren ist während der Nutzung regelmäßig vertragsgemäß. Beim Auszug sind Bohrungen jedoch zu entfernen und fachgerecht zu verschließen. Es handelt sich um Substanzeingriffe, nicht nur „Dekoration“.
Schadenshöhe
Ersatzfähig sind nur Mehrkosten gegenüber einer normalen Schönheitsreparatur, die zur Beseitigung der Substanzschäden notwendig sind (Anknüpfung an BGH, VIII ZR 416/12). Nicht ersatzfähig ist eine „Vollrenovierung“ allein wegen Farbwünschen des Vermieters.
Praktische Folgen
- Mieter: Bei Auszug fachgerechtes Spachteln/Schließen von Dübellöchern, Entfernen von Heißkleberpunkten, Untergrundvorbereitung bei problematischen Anstrichen (z. B. Latex) vornehmen.
- Vermieter: Frist setzen, konkrete Mängel benennen, Nachfrist dokumentieren. Danach notwendige Arbeiten beauftragen und Mehrkosten belegen.
- Kaution: Aufrechnung in Höhe der ersatzfähigen Mehrkosten ist zulässig; Abrechnung zeitnah und nachvollziehbar.
- Klauseln: Starre Farbvorgaben („weiß bei Auszug“) sind unwirksam. Besser: neutraltönige Endoberfläche nur, wenn erforderlich zur Beseitigung von Substanz- oder Dekorationsschäden.
Do’s and Don’ts am Mietende
- Do: Dübel ziehen, Löcher spachteln, plan schleifen, haftfähige Oberflächen herstellen.
- Do: Problemfarben (Latex, intensive Töne) so vorbereiten, dass ein ordentlicher Neuanstrich möglich ist.
- Don’t: Vollständige Endrenovierung schulden, wenn nur Dekor vorliegt und keine Substanzverletzung – es sei denn, wirksam vereinbart oder erforderlich zur Schadenbeseitigung.
FAQ
- Reicht es, die Dübellöcher nur zu „stopfen“? Nein. Erforderlich ist ein fachgerechter Verschluss inkl. Schleifen/Grundieren, damit der Ursprungszustand wieder erreicht werden kann.
- Wer trägt den Beweis? Vermieter für die Pflichtverletzung und Erforderlichkeit der Maßnahmen; Mieter für Einwendungen (z. B. geringerer Aufwand, Vorschäden).
- Latexfarbe immer ein Schaden? Nicht per se. Schadensrelevant, wenn sie die ordentliche Wiederherstellung verhindert bzw. Mehrarbeiten objektiv erfordert.
- Unwirksame Schönheitsreparaturklausel = keine Pflicht? Nur bezüglich Schönheitsreparaturen. Substanzschäden sind unabhängig davon zu beseitigen.
Checkliste für Vermieter
- Rücknahmeprotokoll mit Fotodokumentation.
- Fristsetzung nach § 281 BGB mit konkreter Mängelliste.
- Beauftragung nur erforderlicher Arbeiten; Vergleich „normaler Endanstrich“ vs. Mehrarbeiten dokumentieren.
- Transparente Kautionsabrechnung mit Rechnungsbelegen.
Checkliste für Mieter
- Alle Befestigungen entfernen, Löcher fachgerecht schließen.
- Heißkleber-/Klebereste spurenfrei entfernen.
- Problematische Anstriche so vorbereiten, dass ein normaler Renovationsanstrich möglich ist.
- Eigene Arbeiten dokumentieren (Fotos, ggf. Handwerkerrechnung).
Ursprünglicher Artikel: Januar 2021
Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH