Beklagter in der Bruchteilsgemeinschaft – Wer haftet bei Verträgen für Gartenpflege und Winterdienst?

In Berlin-Charlottenburg entwickelte sich ein Garten zum juristischen Minenfeld. Der Auslöser: eine offene Rechnung über rund 21.000 Euro für Gartenpflege- und Winterdienstleistungen. Der Gärtner, der als Kläger vor Gericht zog, hatte Mühe, den richtigen Beklagten zu bestimmen – ein scheinbar technisches Problem mit erheblichen rechtlichen Folgen. Im Mittelpunkt: eine Bruchteilsgemeinschaft, gebildet von Mitgliedern mehrerer Wohnungseigentümergemeinschaften. Der Fall landete schließlich beim Bundesgerichtshof (BGH), der sich mit der Frage beschäftigte: Wer ist in solchen Konstellationen richtiger Beklagter?

Der Ausgangspunkt: Ein Garten, viele Eigentümer – aber keine klare Haftung

Die Klägerin – ein Unternehmen für Hausbetreuung – hatte mit der sogenannten „Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C.“ einen Vertrag abgeschlossen. Gegenstand des Vertrags war die regelmäßige Pflege des gemeinschaftlich genutzten Gartengrundstücks und die Erbringung des Winterdienstes.

Die Besonderheit: Das Grundstück war nicht nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt, sondern stand im ideellen Miteigentum von zahlreichen Bruchteilseigentümern. Diese Bruchteilseigentümer wiederum waren Mitglieder von vier verschiedenen Wohnungseigentümergemeinschaften. Eine äußert komplexe Eigentumsstruktur – mit weitreichenden Konsequenzen für die Klärung der Frage, wer Beklagter einer Zahlungsklage sein kann.

Die gerichtliche Odyssee: Landgericht, Kammergericht, BGH

1. Instanz: Landgericht Berlin

Zunächst erhob die Klägerin Zahlungsklage gegen „die Wohnungseigentümergemeinschaft Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C.“. Das Landgericht sah das Klagerubrum jedoch als unklar an. Es stellte die berechtigte Frage, ob die Klage gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen eine Bruchteilsgemeinschaft, gegen alle Miteigentümer oder gegen eine Außen-GbR gerichtet sei.

Nach einem gerichtlichen Hinweis passte die Klägerin das Rubrum an: Beklagter sollte nun die „Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück“, bestehend aus den in einer Anlage aufgelisteten Bruchteilseigentümern, sein.

Trotz dieser Klarstellung wies das Landgericht die Klage als unzulässig ab.

2. Instanz: Kammergericht Berlin

Auch die Berufungsinstanz am Kammergericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Das Gericht stufte die Klage weiterhin als unzulässig ein. Begründung: Die Klägerin habe sich trotz Hinweisen der Gerichte nicht eindeutig auf einen Beklagten festgelegt und somit sei die Klage nicht parteifähig erhoben worden.

3. Instanz: Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 62/22) sah das deutlich differenzierter. Er hob die Entscheidung des Kammergerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Der BGH betonte, dass die Auslegung des Klagebegehrens nicht allein am Wortlaut des Rubrums festgemacht werden dürfe. Vielmehr müsse die zentrale Angriffsrichtung der Klage erkennbar gemacht werden.

Wesentlicher Aspekt: Die Klägerin hatte eine Liste aller Bruchteilseigentümer vorgelegt – was laut BGH deutlich mache, dass nicht die Bruchteilsgemeinschaft als nicht rechtsfähiger Verband, sondern die einzelnen Bruchteilseigentümer als Beklagte gemeint seien.

Rechtliche Analyse: Wer ist Beklagter bei Verträgen mit Bruchteilsgemeinschaften?

Die Entscheidung des BGH zeigt ein zentrales Problem auf: In Fällen, in denen ein Grundstück mehreren Personen gemeinschaftlich als Bruchteilseigentum gehört, ist nicht die Gemeinschaft, sondern sind die Miteigentümer als Gesamtheit die Vertragspartner – und im Streitfall die richtigen Beklagten.

Eine Bruchteilsgemeinschaft ist nämlich nicht rechtsfähig. Sie kann weder Verträge schließen noch verklagt werden. Wer als Gläubiger Forderungen geltend machen will, muss sich an die einzelnen Miteigentümer wenden. Dabei haften die Bruchteilseigentümer jeweils anteilig entsprechend ihrer Miteigentumsquote (§ 741 ff. BGB).

Fallstrick für Gläubiger: Jeder Beklagte muss einzeln benannt werden

Ein zentraler Punkt des BGH-Beschlusses ist, dass bei einer Klage gegen Bruchteilseigentümer die Beklagten eindeutig bestimmt sein müssen. Eine unklare Formulierung wie „Bruchteilsgemeinschaft XY“ genügt nicht.

Für Kläger bedeutet das:

  • Es müssen alle Miteigentümer vollständig namentlich aufgeführt werden.

  • Die Miteigentumsanteile sollten zur Verdeutlichung angegeben sein.

  • Die Zustellung der Klage muss an jeden einzelnen Beklagten erfolgen.

Besonderheit bei Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG)

Wohnungseigentümergemeinschaften (nach § 9a WEG) sind seit der WEG-Reform rechtsfähige Körperschaften und können daher selbst Verträge abschließen und als Beklagte auftreten.

Die Besonderheit im vorliegenden Fall: Das streitgegenständliche Gartengrundstück gehörte nicht zur Wohnungseigentumsanlage im Sinne des WEG, sondern war davon rechtlich abgespalten. Die Eigentümer der Wohnungseinheiten waren zusätzlich als Bruchteilseigentümer des Gartengrundstücks im Grundbuch eingetragen – eine klassische Konstellation bei projektentwickelten Großanlagen.

Konsequenzen für die Praxis: Worauf Wohnungseigentümergemeinschaften und Hausverwaltungen achten müssen

1. Vertragsgestaltung

Hausverwaltungen, die im Namen einer Gemeinschaft einen Vertrag abschließen möchten, müssen zunächst genau prüfen, welche Rechtsform auf Seiten der Auftraggeber vorliegt:

  • Handelt es sich um eine WEG, kann diese Vertragspartnerin sein.

  • Handelt es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft, sind die Miteigentümer Vertragspartner.

  • Gibt es eine Außen-GbR zur Verwaltung gemeinschaftlicher Einrichtungen, kann diese rechtsfähige GbR Vertragspartnerin sein.

Falsche Parteibezeichnungen führen regelmäßig zu prozessualen Komplikationen und Zuständigkeitsstreitigkeiten.

2. Einheitliche Regelungen bei Großanlagen

In Quartieren mit mehreren Eigentümergemeinschaften auf verschiedenen Grundstücken ist es ratsam, für gemeinsame Flächen wie Wege, Tiefgaragenzufahrten oder Gärten klare gesellschaftsrechtliche Strukturen zu schaffen.

Empfehlenswert ist die Gründung einer Außen-GbR, in der alle betroffenen Gemeinschaften vertreten sind. Dies schafft Rechtssicherheit, insbesondere für Vertragsabschlüsse und Rechtsstreitigkeiten. Ein solcher Zusammenschluss ist auch unter der Geltung des neuen Personengesellschaftsrechts ab 2024 gut handhabbar.

3. Haftungsverteilung

Wer als Bruchteilseigentümer Vertragspartei ist, haftet anteilig. Diese Haftung lässt sich nicht durch interne Verwalterregelungen ausschließen. Die Gläubiger können sich an jeden einzelnen Eigentümer wenden, auch wenn dieser subjektiv gar keine Kenntnis vom Vertrag hatte.

Hausverwaltungen sollten deshalb:

  • auf klare Vollmachten und Zuständigkeiten achten,

  • die Vertragspartner namentlich korrekt benennen,

  • und prüfen, ob eine rechtsfähige Einheit besteht oder geschaffen werden kann.

Beklagter bei Verträgen über Gartenpflege: BGH schafft Klarheit

Die Entscheidung des BGH im Fall VII ZR 62/22 ist ein wichtiger Fingerzeig für alle, die mit komplexen Eigentümerstrukturen zu tun haben. Sie zeigt deutlich:

  • Der Beklagte in einem Prozess wegen offener Vergütungsforderungen muss korrekt bezeichnet werden.

  • Bei Bruchteilsgemeinschaften sind nicht diese selbst, sondern die einzelnen Bruchteilseigentümer die Beklagten.

  • Eine unklare Bezeichnung im Klagerubrum führt zur Unzulässigkeit der Klage – mit entsprechendem Kostenrisiko.

Fazit: Keine Klage ohne klare Beklagte

Für Kläger, Hausverwalter und Gerichte gilt: Die korrekte Bezeichnung des Beklagten ist keine bloße Formsache – sie entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines gesamten Prozesses. Besonders in komplexen Eigentümerstrukturen ist es unerlässlich, genau zu prüfen, wer Vertragspartner ist und wer im Streitfall beklagt werden muss.

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung ein rechtliches Signal gesetzt: Substanz vor Formalismus, aber dennoch gilt – wer verklagen will, muss den richtigen Beklagten finden.