Mehrhausanlagen im WEG: Untergemeinschaften, Kostentrennung, Stimmrecht – Leitfaden mit Update 2025


Ursprünglicher Kern (November 2021): Der BGH hat im Urteil vom 26.06.2020 (V ZR 199/19) zur Mehrhausanlage klargestellt: Ist in der Gemeinschaftsordnung (GO) eine weitgehende Trennung in Untergemeinschaften vereinbart (verwaltungsmäßig und instandhaltungsmäßig), dann umfasst die Kostentrennung regelmäßig auch die erstmalige mangelfreie Herstellung des betroffenen Teils des Gemeinschaftseigentums. Sanierungskosten und Entscheidungen liegen dann bei der betroffenen Untergemeinschaft; nur sie ist stimmberechtigt und ihre Rücklage/Sonderumlage ist vorrangig heranzuziehen.


Ausgangsfall – Essenz: Vier Häuser (A–D) plus Tiefgarage, davon ein sanierter Altbau (Untergemeinschaft „C“). Feuchtigkeitsschäden am Altbau. GO sah eine „verwaltungsmäßige und instandhaltungsmäßige Trennung“ vor, „als ob real geteilt“. Beschluss: Gutachten/Sanierung für Haus C aus Rücklage C. BGH: richtig – Mehrhausanlagen dürfen in der GO die Erhaltungs- und Kostenzuständigkeit einer Untergemeinschaft so weit fassen, dass sogar anfängliche Baumängel (erstmalige mangelfreie Herstellung) deren Erhaltungslast sind.


Systematik der Mehrhausanlage im WEG:

– Das Gesetz kennt Mehrhausanlagen nicht ausdrücklich. Die Rechtsfigur entsteht durch Vereinbarung in der GO (Teilungserklärung), § 10 WEG (Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer).

– Die GO kann Untergemeinschaften (z. B. Haus A, B, C, D, Tiefgarage) bilden, ihnen Verwaltungs- und Instandhaltungszuständigkeit sowie Kostentrennung zuweisen und Stimmrechte auf „betroffene Untergemeinschaft“ begrenzen.

– Leitbild: „Als ob real geteilt“ – jedes Haus wird wie eine eigenständige Einheit behandelt; nur gemeinsame Anlagen (Zufahrten, Versorgungsstränge für alle) bleiben bei der Gesamtgemeinschaft.

– Konsequenz: Maßnahmen, die nur den Baukörper der Untergemeinschaft betreffen, werden von deren Eigentümern beschlossen, bezahlt und in deren Rücklage abgebildet.


Aktualisierungen seit 2021 – BGH-Linie verdichtet (Stand 2025):

Kostentrennung bestätigt und konkretisiert: Die Erhaltungslast der Untergemeinschaft umfasst nach herrschender Linie auch die Beseitigung anfänglicher Mängel am ihr zugeordneten Teil des Gemeinschaftseigentums, wenn die GO die Verselbstständigung klar regelt.

Jahresabrechnung bleibt einheitlich: Auch bei Untergemeinschaften ist für die Gesamtgemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung zu erstellen und zu beschließen; untergemeinschaftliche Nachweise sind als Anlagen möglich, § 28 WEG (Wirtschaftsplan/Jahresabrechnung).

Rechte gegen den Bauträger: Nur die Gesamtgemeinschaft kann die den einzelnen Erwerbern zustehenden gemeinschaftsbezogenen Rechte (ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums) per Mehrheitsbeschluss zur gebündelten Durchsetzung an sich ziehen – auch wenn die Mängel nur einen Unterkomplex betreffen. Untergemeinschaften allein sind hierfür nicht zuständig.

Sonderumlagen: Die GO kann Untergemeinschaften die Kompetenz zur Sonderumlage für „ihren“ Teil zuweisen; formale Anforderungen an Beschlussinhalt, Fälligkeit, Verteilmaßstab bleiben einzuhalten, § 28 WEG.

Stimmrecht im Zweifel nach GO: Für Maßnahmen, die ausschließlich den Bereich einer Untergemeinschaft betreffen, sind nur deren Eigentümer stimmberechtigt; für gesamtanlagenbezogene Maßnahmen stimmen alle.


Grenzziehung in der Praxis – Was gehört wem?

Untergemeinschaft: Dach, Fassade, Steigleitungen, Fundament, Treppenhaus, Technikräume des Hauses; TG-Bauwerk, wenn als eigene Untergemeinschaft geregelt.

Gesamtgemeinschaft: Grundstücksflächen ohne Sondernutzung, gemeinsame Wege, Spielplätze, Beleuchtung, zentrale Ver- und Entsorgungsleitungen, soweit sie alle bedienen.

Knackpunkt: Schnittstellen (z. B. Tiefgarage als „Fundament“ unter mehreren Häusern). Hier entscheidet die GO: Ist die TG verselbstständigt, trägt die TG-Untergemeinschaft – trotz statischer Verbünde – ihre Erhaltungslast, es sei denn, die GO ordnet abweichend.


GO-Gestaltung – Was eine tragfähige Mehrhausanlagen-Klausel enthält:

– Eindeutige Zuordnung der Baukörper (Haus A/B/…/TG) als Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungs- und Instandhaltungszuständigkeit.

– Klare Kostentrennung: laufende Kosten, Instandhaltung, Instandsetzung, Erstherstellung/Mängelbeseitigung des zugeordneten Baukörpers; Zuordnung der Rücklagen.

Stimmrechtsklausel: Nur betroffene Untergemeinschaft beschließt bei hausbezogenen Themen; Gesamtgemeinschaft bei gemeinschaftsweiten Themen.

Beschlusskompetenz Untergemeinschaft: Sonderumlagen, Aufträge, Abnahmen; Verteilmaßstäbe (MEA, Nutz-/Wohnfläche) explizit.

Abrechnung: Einheitliche Jahresabrechnung der Gesamtgemeinschaft plus untergemeinschaftliche Teilnachweise.

Leitungs-/Anlagenzuordnung: Versorgungstrassen und Schächte eindeutig einem Bereich zuordnen oder als „gesamtanlagenbezogen“ definieren.

Streitbeilegung: Schiedsklausel/Schlichtung für Untergemeinschaft–Gesamtgemeinschaft-Konflikte.


Stimmrecht und Beschlussfassung – schnell geprüft:

– Betrifft es nur den Baukörper einer Untergemeinschaft? → Nur diese stimmt ab.

– Betrifft es alle (z. B. zentrale Heizzentrale, die alle versorgt)? → Gesamtgemeinschaft.

– Mischfall (z. B. TG-Entwässerung, die auch Hausleitungen aufnimmt)? → GO-Lektüre, Zuordnung im Zweifel per Vorbeschluss klären, danach Hauptbeschluss fassen.

– Dokumentation: In Beschlüssen stets Kompetenzgrundlage (GO-Paragraph), Adressatenkreis (UG/gesamt) und Kostenkreis benennen.


Kosten, Rücklagen, Sonderumlagen – Best Practice:

Getrennte Rücklagenkonten je Untergemeinschaft führen; Zuführung im Wirtschaftsplan separat ausweisen, § 28 WEG.

Einheitliche Jahresabrechnung mit Anhängen je Untergemeinschaft (Ergebnis, Rücklagenbewegungen, Verteilmaßstab).

Sonderumlagen nur im betroffenen Kreis beschließen; Beschlusstext mit Betrag, Verteilung, Fälligkeit, Verwendungszweck.

Erstherstellung/Mängel: Untergemeinschaft trägt, parallel kann die Gesamtgemeinschaft Ansprüche gegen Bauträger gebündelt durchsetzen.


Ansprüche gegen den Bauträger – wer zieht, wer zahlt?

Ziehen der Rechte: Gesamtgemeinschaft fasst Mehrheitsbeschluss und führt die gemeinschaftsbezogenen Mängelrechte gebündelt – auch wenn nur ein Haus betroffen ist.

Zahlen der Maßnahmen: Bleibt bei der Untergemeinschaft, wenn die GO die Kostentrennung vorsieht.

Liquiditätsbrücke: Untergemeinschaft beschließt Sonderumlage; Rückflüsse aus Bauträgerverfahren werden dem Kreis der Zahler gutgeschrieben.


Typische Fehler in Mehrhausanlagen:

– Unklare GO-Formulierungen („spätere Instandsetzung“) ohne ausdrückliche Nennung der Erstherstellung/Mängelbeseitigung.

– Vermengung von Kostenkreisen (TG-Kosten auf Haus-Eigentümer verteilt oder umgekehrt).

– Falsches Stimmforum (Gesamtgemeinschaft beschließt über reine Hausmaßnahme oder umgekehrt).

– Fehlende getrennte Rücklagenführung und unpräzise Abrechnungen.

– Bauträgerrechte von Untergemeinschaften „gezogen“ ohne Gesamtbeschluss.


Checkliste – Beschluss- und Abrechnungstexte sauber halten:

– Überschrift mit UG-Bezug („Beschluss Untergemeinschaft Haus C“).

Kompetenz: GO-Paragraph zitieren; Betroffenheit nur dieses Baukörpers festhalten.

Kostenkreis: „Die Kosten tragen ausschließlich die Eigentümer der Untergemeinschaft Haus C; Verteilung nach MEA/Fläche gemäß GO § …“.

Finanzierung: „Entnahme aus Rücklage C; fehlende Mittel über Sonderumlage in Höhe von … € je MEA, fällig am …“.

Abrechnung: In der Gesamtjahresabrechnung als Anlage „UG C“ ausweisen; Rücklagenentwicklung separat.

Bauträgerrechte: Separater Gesamtbeschluss zur Anspruchsbündelung; Beauftragung RA/SV; Verteilung Prozesskosten.


FAQ – Mehrhausanlagen kurz beantwortet:

Darf die GO Untergemeinschaften bilden? Ja, durch Vereinbarung. Reichweite klar formulieren (Verwaltung, Instandhaltung, Kosten, Stimmrecht).

Wer beschließt bei Fassadenschäden an Haus B? Die Untergemeinschaft B, wenn die GO das so zuweist.

Mängel aus der Errichtungsphase am Haus C – wer trägt? Die Untergemeinschaft C, wenn Kostentrennung vereinbart ist; Rechte gegen Bauträger bündelt die Gesamtgemeinschaft.

Muss es eine einheitliche Jahresabrechnung geben? Ja. Plus untergemeinschaftliche Anhänge.

Kann die TG Untergemeinschaft sein, obwohl sie statisch Häuser trägt? Ja, wenn die GO sie verselbstständigt; dann entscheidet/finanziert die TG-UG ihren Bereich.

Wer stimmt bei der Erneuerung der zentralen Heizstation für alle Häuser? Die Gesamtgemeinschaft.


Praxisempfehlungen für Verwalter und Beirat:

– GO prüfen und bei Unschärfen vereinbaren bzw. anpassen (eindeutige UG-Zuständigkeiten, Kostentrennung, Stimmrecht).

Wirtschaftsplan: getrennte Rücklagenzuführung je UG, transparente Ausweisung.

Beschlüsse: Kompetenz, Kostenkreis, Verteilmaßstab, Fälligkeit und Zweck präzise formulieren.

Dokumente: UG-Anhänge zur Jahresabrechnung standardisieren; Kontennachweise je UG.

Bauträgerfälle: Gesamtbeschluss zur Anspruchsbündelung; parallele UG-Finanzierung der Maßnahmen sicherstellen; Rückflussregeln festlegen.


Ursprünglicher Artikel: November 2021

Aktualisiert am 14.10.2025 von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH