§ 12 WEG (Wohnungseigentumsgesetz) – Veräußerungsbeschränkung
Einleitung
Grundsätzlich gilt Vertragsfreiheit – auch beim Verkauf einer Eigentumswohnung. § 12 WEG erlaubt jedoch eine Veräußerungsbeschränkung: Die Veräußerung kann in der Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung (TE/GO) von einer Zustimmung abhängig gemacht werden. Wichtig: Diese Beschränkung besteht nicht automatisch, sondern muss vereinbart und grundbuchlich ausgewiesen sein. Seit WEMoG ist zudem eine Aufhebung per Beschluss möglich (siehe unten).
Gesetzestext von § 12 WEG (Stand 2025)
§ 12 WEG – Veräußerungsbeschränkung
(1) Als Inhalt des Sondereigentums kann vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf.
(2) Die Zustimmung darf nur aus einem wichtigen Grund versagt werden. Durch Vereinbarung gemäß Absatz 1 kann dem Wohnungseigentümer darüber hinaus für bestimmte Fälle ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung eingeräumt werden.
(3) Ist eine Vereinbarung gemäß Absatz 1 getroffen, so ist eine Veräußerung des Wohnungseigentums und ein Vertrag, durch den sich der Wohnungseigentümer zu einer solchen Veräußerung verpflichtet, unwirksam, solange nicht die erforderliche Zustimmung erteilt ist. Einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung steht eine Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter gleich.
(4) Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass eine Veräußerungsbeschränkung gemäß Absatz 1 aufgehoben wird. Ist ein Beschluss gemäß Satz 1 gefasst, kann die Veräußerungsbeschränkung im Grundbuch gelöscht werden. § 7 Absatz 2 WEG gilt entsprechend.
Bedeutung & Kernaussagen
- Vereinbarung & Grundbuch: Die Beschränkung muss in TE/GO vereinbart und als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch verlautbart sein, um gegenüber Erwerbern zu wirken.
- Zustimmungsträger: TE/GO kann die Zustimmung den anderen Wohnungseigentümern, einem bestimmten Eigentümer oder einem Dritten (typisch: Verwalter) zuweisen.
- Wichtiger Grund: Versagung nur bei objektiv gewichtigen Gründen (insb. persönliche/finanzielle Unzuverlässigkeit des Erwerbers).
- Wirksamkeit der Veräußerung: Kaufvertrag und Übereignung sind bis zur Zustimmung unwirksam; das gilt auch bei Zwangsvollstreckung/Insolvenz.
- Aufhebung: Seit WEMoG kann die Beschränkung per Beschluss aufgehoben und im Grundbuch gelöscht werden; Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt nach § 7 Abs. 2 WEG.
Hinweis zur Zuständigkeit/Klagegegner: Verlangt die TE/GO die „Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer“ oder des Verwalters, ist seit der WEG-Reform die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) zuständig; eine Klage auf Zustimmung richtet sich gegen die GdWE (BGH 21.07.2023 – V ZR 90/22; BGH 22.03.2024 – V ZR 141/23).
1. Was ist die Veräußerungsbeschränkung?
Sie bewirkt, dass der Eigentumsübergang erst mit wirksamer Zustimmung vollzogen werden kann. Zustimmungsadressat gem. TE/GO kann sein: (a) die Gesamtheit der übrigen Eigentümer (über die GdWE), (b) ein einzelner Eigentümer oder (c) ein Dritter (z. B. Verwalter). In der Praxis erfolgt die Zustimmung regelmäßig in notariell verwertbarer Form zur Vorlage beim Grundbuchamt (Formanforderungen nach Grundbuchrecht).
2. Voraussetzungen & Wirksamkeit
- Vereinbarung in TE/GO (notariell) als Inhalt des Sondereigentums,
- Grundbucheintrag (Wirken gegenüber Sondernachfolgern),
- Zustimmung vor Eintragung der Eigentumsumschreibung (bis dahin: Kaufvertrag/Veräußerung unwirksam).
Auch Zwangsversteigerung und Insolvenzveräußerung stehen einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung gleich – es bleibt bei der Zustimmungserfordernis.
3. Wichtiger Grund für die Versagung
Die Versagung darf nur aus wichtigem Grund erfolgen. Wichtige Gründe sind z. B. finanzielle Unzuverlässigkeit (absehbare Zahlungsunfähigkeit bzgl. Hausgeld/Sonderumlagen) oder persönliche Unzuverlässigkeit des Erwerbers mit konkreten Anhaltspunkten für gravierende Störungen. Dagegen nicht ausreichend: Sympathie/Antipathie, Herkunft/Religion etc.
Praxispunkt: Hausgeldrückstände des Verkäufers rechtfertigen für sich keine Versagung – die Prüfung hat sich auf die Person des Erwerbers zu beziehen.
TE/GO kann (zulässig) Fallgruppen begünstigter Zustimmungen vorsehen (z. B. Zustimmung gilt als zu erteilen bei Veräußerung an Ehegatten/Kinder) oder Entscheidungsfristen regeln. Fehlt eine Frist/Fiktionsregel, besteht keine automatische Zustimmung; bei Verzögerung/Verweigerung bleibt die Zustimmungsklage gegen die GdWE.
4. Zuständigkeit & Klage
- „Zustimmung der anderen Eigentümer“: Die GdWE beschließt über die Zustimmung (Mehrheitsbeschluss); Klage auf Zustimmung gegen die GdWE (auch bei Alt-TE/GO).
- „Zustimmung des Verwalters“: Auch hier ist GdWE richtige Beklagte; der Verwalter handelt als Organ/Mittler des Verbands.
- Ziel der Zustimmungsklage: Verurteilung zur Zustimmung (Ersatz der Zustimmung), damit die Eintragung im Grundbuch erfolgen kann.
5. Aufhebung der Veräußerungsbeschränkung (neu)
Seit der Reform kann die Gemeinschaft per Beschluss die Veräußerungsbeschränkung aufheben; anschließend Grundbuchlöschung. Den Nachweis des Beschlusses gegenüber dem Grundbuchamt führt eine beglaubigte Niederschrift gem. § 7 Abs. 2 WEG (öffentliche Beglaubigung der Unterschriften der in § 24 Abs. 6 WEG genannten Personen).
6. Ablauf in der Praxis
- Kaufvertragsentwurf mit Hinweis auf Zustimmungspflicht (§ 12 WEG) und beizubringende Nachweise gegenüber dem Grundbuchamt.
- Beschlussfassung/GdWE-Entscheidung bzw. Verwaltererklärung zur Zustimmung (ggf. Fristsetzung; Unterlagen zum Erwerber).
- Formnachweis der Zustimmung (grundbuchtauglich) und der Vertretungsbefugnisse.
- Einreichung beim Grundbuchamt; erst mit Zustimmung wird Veräußerung/Verpflichtungsgeschäft wirksam.
Praxisbeispiele
Beispiel 1 – Solventer Käufer:
Die TE/GO verlangt Verwalterzustimmung. Bonität ist nachgewiesen, keine Bedenken → Zustimmung zu erteilen.
Beispiel 2 – Finanzielle Unzuverlässigkeit:
Erwerber hat titulierte Zahlungsausfälle; Sanierungsumlage steht bevor → Versagung kann zulässig sein (wichtiger Grund).
Beispiel 3 – Verkäufer mit Hausgeldrückstand:
Rückstände des Verkäufers sind kein tragfähiger Versagungsgrund; maßgeblich ist der Erwerber. Einvernehmliche Klärung/Abwicklung der Rückstände bleibt davon unberührt.
Beispiel 4 – Aufhebung per Beschluss:
Die GdWE beschließt, die Veräußerungsbeschränkung aufzuheben → Löschung im Grundbuch mit beglaubigter Niederschrift.
Häufige Missverständnisse
- „Jede WEG hat automatisch eine Veräußerungsbeschränkung.“ – Falsch, sie muss vereinbart und eingetragen sein.
- „Wir können ohne wichtigen Grund ablehnen.“ – Falsch, die Ablehnung ist strikt an den wichtigen Grund gebunden.
- „Nur Einstimmigkeit schafft die Beschränkung wieder ab.“ – Veraltet: Heute Beschlusskompetenz zur Aufhebung; anschließend Grundbuchlöschung.
- „Bei Untätigkeit gilt die Zustimmung automatisch als erteilt.“ – Nur, wenn TE/GO eine Fiktionsregel vorsieht; sonst Klageweg.
FAQs zu § 12 WEG
Muss die Veräußerungsbeschränkung notariell vereinbart sein?
Ja, als Teil der TE/GO (notariell) und grundbuchlich auszuweisen.
Wer entscheidet über die Zustimmung?
Nach TE/GO: GdWE (Beschluss), bestimmter Eigentümer oder Verwalter. Klagegegner bei Verweigerung ist regelmäßig die GdWE.
Kann man die Beschränkung wieder abschaffen?
Ja, per Beschluss der Eigentümer; danach Löschung im Grundbuch mit Nachweis nach § 7 Abs. 2 WEG.
Was gilt, wenn die Zustimmung grundlos verweigert wird?
Zustimmung einklagen; das Gericht ersetzt die Zustimmung bei fehlendem wichtigen Grund.
Praxisbausteine
Musterklausel (TE/GO – Zustimmungsvorbehalt):
„Die Veräußerung des Wohnungseigentums bedarf der Zustimmung [Verwalter/anderen Wohnungseigentümer]. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund versagt werden. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen [x] Wochen nach Zugang des vollständigen Antrags verweigert wird.“
Musterbeschluss (Aufhebung § 12-Beschränkung):
„Die Wohnungseigentümer beschließen, die in der TE/GO vereinbarte Veräußerungsbeschränkung gem. § 12 Abs. 1 WEG aufzuheben. Der Verwalter wird beauftragt, die Löschung im Grundbuch zu veranlassen. Der Nachweis des Beschlusses erfolgt gemäß § 7 Abs. 2 WEG durch öffentlich beglaubigte Niederschrift.“
Fazit
§ 12 WEG ist ein Schutzinstrument der Gemeinschaft: Es hält ungeeignete Erwerber fern, ohne willkürliche Hürden zu erlauben. Für die Praxis sind heute zentral: richtiger Zuständiger/Klagegegner (GdWE), das strenge Kriterium des wichtigen Grundes, die Wirksamkeitssperre bis zur Zustimmung – und die Möglichkeit, eine überholte Beschränkung durch Beschluss zu beseitigen und im Grundbuch zu löschen.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: August 2025